Die Lage der antiken Pferderennbahn von Olympia, auf der auch Kaiser Nero zum olympischen Sieg fuhr, war lange Zeit ein Rätsel – bis jetzt. Mithilfe moderner geophysikalischer Methoden entdeckten Forscher auffälige Strukturen im antiken Olympia, die sich als Überreste des Hippodroms herausstellten.
Die Entdeckung des Hippodroms gelang einer Forschungskooperation unter Beteiligung des Mainzer Sporthistorikers Professor Norbert Müller, des Kölner Sportarchäologen Christian Wacker und Reinhard Senff, Ausgrabungsleiter des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) in Olympia. „Der Fund ist eine archäologische Sensation“, kommentierte Müller, Sporthistoriker an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, die Entdeckung.
Keine Reste vom Hippodrom?
Das Hippodrom war bislang nur durch Schriftquellen bekannt, archäologisch ließ es sich nie nachweisen. Dies ist überraschend, da deutsche Ausgräber seit 1875 den Ort der antiken Olympischen Spiele als eine ihrer traditionsreichsten Unternehmungen kontinuierlich erforschen und zahllose Archäologen, Alt- und Sporthistoriker aus der ganzen Welt sich seit über 100 Jahren mit diesem
Geheimnis beschäftigt haben. Sehr detailreich beschreibt der antike Reiseschriftsteller Pausanias im 2. Jh. n. Chr. die Pferderennbahn, deren Startmechanismen, Wendemale und Altäre. Eine bisher wenig beachtete Schriftquelle aus dem 11. Jahrhundert n. Chr. nennt sogar Maße und Dimensionen
der Anlage.
Bislang ging man davon aus, dass sich keine Überreste des Hippodroms mehr finden lassen, da das von Pausanias beschriebene Areal im Osten des Heiligtums von Olympia durch den Fluss Alpheios seit der Antike überschwemmt und versandet wurde. In modernen Plänen und Beschreibungen steht meist lapidar zu lesen: „Keine Reste vom Hippodrom aufgrund mittelalterlicher Überschwemmungen.“
Geomagnetmessungen enthüllen auffällige Strukturen
Das reizte die deutschen Forscher umso mehr: Mit modernen geophysikalischen Methoden wurde erstmals das Gelände systematisch abgesucht, wobei die auf Geomagnet- und Georadarmessungen spezialisierten Experten Armin Grubert von der Universität Mainz und Christian Hübner von der Universität Freiburg zahlreiche Veränderungen im Boden wie beispielsweise Wasserläufe, Gräben und Mauern kartieren konnten.
Tatsächlich wurden auffällige, geradlinige Strukturen auf einer Länge von fast 200 Metern entdeckt, welche die Forscher mit der parallel zum Stadion gelegenen Pferderennbahn verbinden. Bauliche Überreste, die mit einem beim Hippodrom überlieferten Heiligtum der Demeter gleichgesetzt werden können, waren bereits im Norden des untersuchten Geländes im Frühjahr 2007 aufgedeckt worden.
Startanlage mit rundem Sakralbau
Besonders interessant ist auf halber Höhe des nördlichen Zugangs zur Startanlage – dort, wo Pausanias das Hippodrom betrat – eine kreisförmige Anlage mit etwa zehn Meter Durchmesser, die sich deutlich in der antiken Bodenschicht abzeichnet und vielleicht auf Sakralbauten, die der antike Schriftsteller an dieser Stelle erwähnt, zu beziehen ist. Die eigentliche Startanlage mit Boxen für bis zu 24 Pferdegespanne dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit unter einem von den Archäologen seit 1875 angelegten gewaltigen Hügel von Erdaushub des Tempelbezirks liegen.
Mit der Erforschung des Geländes östlich des Heiligtums von Olympia, möglich gemacht durch Forschungsmittel des Instituts für Sportwissenschaft der Universität Mainz und des Internationalen Reiterverbandes, konnten erstmals konkrete Hinweise auf die Lage der Pferderennbahn und ihre geographische Ausdehnung gewonnen werden.
(Universität Mainz, 07.07.2008 – NPO)