Zwei Gruppen von Nervenzellen in einem „Mandelkern“ (Amygdala) genannten Hirnareal steuern – einem Schalter ähnlich – das Angstverhalten. Dies hat ein Schweizer Forscherteam bei Untersuchungen mit Mäusen entdeckt. Ist die eine Zellgruppe aktiv, reagieren die Tiere ängstlich, wechselt die Aktivität auf die andere Gruppe, schwindet das Furchtverhalten.
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Diese Umschaltmöglichkeit erklärt, warum eine einmal gelernte Furchtreaktion in einem anderen Kontext reaktiviert werden kann, berichtete Professor Dr. Andreas Lüthi vom Friedrich Miescher Institut in Basel auf dem Forum der Europäischen Neurowissenschaftlichen Gesellschaften in Genf.
Wie löscht man Angst?
Eine Verhaltenstherapie kann die Leiden von Patienten mit Phobien lindern. Dazu gehört die wiederholte Konfrontation mit dem angstauslösenden Reiz, etwa einem Tier oder einer Situation. Die meisten Patienten lernen, diese Situation erfolgreich zu meistern. Allerdings ist es keine Seltenheit, dass die Angst wiederkommt, wenn die Patienten nach dem Klinikaufenthalt mit dem Reiz in ihrer alten Umgebung konfrontiert werden.
Lüthi wundert dies nicht: „Der Kontext spielt beim Angstlernen und bei der Extinktion dieser Angst eine wichtige Rolle.“ Doch während die Forscher inzwischen recht gute Vorstellungen darüber haben, was beim Angstlernen im Dickicht der Neurone abläuft, wissen sie über den Löschungsprozess vergleichsweise wenig.
Mäuse vergessen Angst nicht
„Wenn eine Maus durch Konditionierung gelernt hat, dass ein Tonsignal stets mit einem unangenehmen Reiz verbunden ist, genügt der Ton, um eine Angstreaktion auszulösen. Erst wenn die Maus den Ton viele Male ohne Reiz gehört hat, wird die Furchtreaktion schwächer. „Allerdings hat die Maus die Furcht nicht vergessen“, sagt Lüthi, „denn die Furchtkonditionierung ist überlebenswichtig und daher sehr stabil.“
Darum zeigt die Maus auch wieder die Angstreaktion, wenn sie in einer anderen Umgebung mit dem Tonsignal konfrontiert wird. Denn sie hat nur gelernt, dass in der ursprünglichen Umgebung der Schmerzreiz unterblieb. In der neuen Umgebung ist sie vorsichtig. Lüthi: „Durch einen anderen Kontext kann eine gelernte Furchtantwort also wieder hervorgeholt werden.“
Mandelkern mit wichtiger Rolle beim Angstlernen
Welche Schaltkreise im Gehirn dafür verantwortlich sind, hat Lüthi mit seinem Team untersucht. Fündig wurden die Wissenschaftler in jenem Amygdala (Mandelkern) genannten Bereich des limbischen Systems, der beim Angstlernen eine wichtige Rolle spielt. „Unsere Erkenntnis, dass bestimmte Teile der Amygdala auch bei der Extinktion beteiligt sind, ist neu“, sagt Lüthi.
Genau genommen sind es zwei Nervenzellpopulationen im unteren Teil der Amygdala, die dabei eine Rolle spielen. Beide Gruppen verarbeiten kontextuelle und sensorische Informationen. Doch die eine Gruppe, die „Angstneuronen“, erhält Informationen vom Hippocampus, die andere, die „Extinktionsneuronen“, erhält ihren Input vom sogenannten medialen präfrontalen Cortex. Der Hippocampus spielt bei der Gedächtniskonsolidierung eine Rolle und verarbeitet Kontextinformationen, der präfrontale Cortex hat eine dämpfende Wirkung auf Angstreaktionen.
Zwei Neuronengruppen steuern das Furchtverhalten
Wie die Baseler Forscher zeigen konnten, steuert die Balance der Aktivität dieser beiden Neuronengruppen das Furchtverhalten: Sind die „Angstneurone“ aktiv, zeigt das Tier Furcht. Wird auf die „Extinktionsneurone“ umgeschaltet, schwindet die Angstreaktion. Wenn sich der Kontext und damit der neuronale Input vom Hippocampus zur Amygdala ändert, wird der Schalter erneut umgelegt: die „Angstneurone“ werden wieder aktiv.
(ProScience Communications, 15.07.2008 – DLO)