Britische Forscher haben herausgefunden, weshalb manche Menschen anfälliger dafür sind, süchtig zu werden, als andere. Auf der größten neurowissenschaftlichen Tagung Europas in Genf berichteten sie gestern auch darüber, wie gelegentlicher Drogenkonsum zur Drogensucht werden kann.
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Professor Barry Everitt und seine Mitarbeiter der englischen Universität Cambridge fanden heraus, dass es einen Umschaltprozess im Gehirn gibt, der das Verlangen nach Drogen reguliert. Bei der Einnahme von Kokain zum Beispiel, werden im so genannten ventralen Striatum, einer Region des Großhirns, „belohnende Effekte“, ausgelöst.
Einige Menschen steigern den Drogenkonsum und können ihn nicht mehr beherrschen. Hier spielt wahrscheinlich das dorsale Striatum eine Rolle, eine andere Region im Großhirn, die mit Lernen verbunden ist.
Niedrige Dopaminspiegel als Indiz
„Wir wollen deshalb herausfinden, warum bei manchen Menschen als Reaktion auf den Drogenkonsum die Aktivität von einer Hirnregion auf die andere umspringt“, sagte Everitt. „Drogensüchtige tendieren dazu, impulsiv zu reagieren, was sowohl genetisch als auch durch Umwelteinflüsse bedingt sein kann“.
Aufnahmen mit bildgebenden Verfahren haben gezeigt, dass impulsiv reagierende Ratten niedrige Spiegel des Dopamin D2/3 Rezeptors im ventralen Striatum aufweisen. Erhalten diese Tiere ungehinderten Zugang zu Kokain, werden sie süchtig. Dopamin ist ein Botenstoff des Gehirns, der mit dem Belohnungssystem des Gehirns zusammenhängt und eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Suchtverhaltens spielt: Drogen wie Kokain binden an den Dopaminrezeptor.
Suchtgefahr für impulsive Menschen?
Verlangen nach Drogen ist ein Schlüsselmerkmal für Sucht, das nach langem Drogenkonsum auftritt. Das Team von Everitt konnte weiter zeigen, dass auch impulsive Menschen offenbar anfällig dafür sind, süchtig nach Kokain zu werden. Das erklären sich die Forscher damit, dass die ständige Einnahme von Kokain den präfrontalen Kortex schädigt, und es dadurch zu einem Kontrollverlust des eigenen Verhaltens kommt. Das Verlangen nach Drogen ist für die Forscher ein komplexer Prozess von Wechselwirkungen zwischen Anfälligkeit und Lernmechanismen.
„Es ist ganz eindeutig, dass Impulsivität und ständiger Drogenkonsum in enger Beziehung stehen und bei der Suchtentwicklung eine Rolle spielen“, sagt Everitt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass zukünftige Strategien an der Impulsivität von Drogensüchtigen ansetzen könnten, um das Rückfallrisiko zu reduzieren.
(ProScience Communications, 15.07.2008 – DLO)