Mikrofon an, Aufnahme läuft: Bühne frei für den „Singstar“ für Vögel. Doch dieser neuartige Stimmendetektor hat nichts mit Unterhaltung zu tun, sondern dient dem Naturschutz. Er erkennt automatisch die charakteristische Gesänge verschiedener Vogelarten und vereinfacht so die Bestandsaufnahme der gefiederten Tierwelt.
Es wird stiller in europäischen Wäldern, zahlreiche Vogelarten stehen auf der Roten Liste. Doch so ganz genau kann niemand sagen, wie es tatsächlich um den Bestand einiger Arten bestellt ist. Um einen wirklichen Überblick über das Verbreitungsgebiet der heimischen Vogelwelt zu erhalten, müsste praktisch jeden Tag eine ganze Schar von Hobbyornithologen ausschwärmen, um die Tiere zu zählen. Weil die Vögel außerdem oft verborgen im Unterholz oder hoch oben in den Wipfeln sitzen, sind die Vogelkundler auf ihr Gehör und das Fachwissen angewiesen. In großen Gebieten ist somit eine kontinuierliche, flächendeckende Kartierung nahezu unmöglich.
Mikrophone als Stimmensammler
Angesichts solcher Probleme ist der Naturschutz auch auf neue technische Methoden angewiesen. Diese werden ihnen nun unter anderem von Bonner Wissenschaftlern geliefert. Denn Informatiker der Universität Bonn haben Detektoren entwickelt, die einige Vogelstimmen automatisch erkennen können. Das heißt: Im Vorfeld werden an ausgewählten Orten der freien Wildbahn Mikrofone ausgesetzt, die – teilweise über Monate – sämtliche Geräusche aufnehmen. Die neue Computersoftware ist anschließend in der Lage, die vielen Hundert Stunden Tonmaterial über Nacht zu durchforsten und mitzuteilen, wie viele Vögel welcher Art wie oft gesungen haben.
Charakteristika in Algorithmen übertragen
Daniel Wolff vom Institut für Informatik der Universität Bonn hat sich in seinem Projekt zunächst auf die bioakustische Erkennung des Rohrschwirls und des Buchfinken konzentriert. Er hat sich die jeweiligen Vogelgesänge genau angehört, in einem Spektrogramm genau angeschaut und die Charakteristika in Algorithmen übertragen. Sobald bestimmte Parameter erfüllt sind, schlägt das
Programm an.
„Das Signal des Rohrschwirls hat zum Beispiel eine mittlere Frequenz von 4 Kilohertz, das ist ganz charakteristisch. Wenn sich zusätzlich einzelne Signalelemente mit einer Frequenz von 50 Hz wiederholen, dann wird ein Rohrschwirlruf detektiert“, erklärt Wolff. Auch der Buchfinkdetektor analysiert solche periodischen Elementwiederholungen. Dabei entlarvt mehr eine typische Strophenstruktur als die Tonhöhe den Buchfink-Gesang.
92 Prozent Trefferquote
Vor allem der Rohrschwirldetektor, der in einem Langzeitmonitoring am Brandenburger Parsteiner Weiher getestet wurde, zeichnet sich durch eine „robuste Erkennung“, also eine hohe Trefferquote aus. Trotz Störgeräuschen durch Regen, Wind und von Amphibien erkannte das Programm mit einer
Detektionsgenauigkeit von 92 Prozent die Lautäußerungen der Vogelart, die noch an ostdeutschen Seegebieten vorkommt, aber ansonsten in Europa selten geworden ist.
Noch sind die Vogelstimmendetektoren jeweils auf die Gesangsdarbietungen einzelner Vogelarten geeicht. Nach Ansicht von Daniel Wolff lassen sie sich aber in naher Zukunft zu einer Art Superdetektor koppeln, der möglichst viele Arten gleichzeitig erkennt und in Kombination mit GPS-Koordinaten die
Kartierung von Vogelbeständen einfacher und effizienter macht.
Das Forschungsgebiet der Bioakustik erlebe derzeit einen wahren Boom. Zwar gab es schon in den 1970-ern erste Bemühungen, „den Buchfink mit viel langsameren Rechnern zu erkennen“, sagt Wolff mit einem nostalgischen Lächeln. „Entscheidend ist aber, dass wir erst heute die Möglichkeit haben, lange Aufnahmen speichern und kompakte Technik in der Natur platzieren zu können, die dann wirklich über Monate hinweg z.B. mit Solarstrom laufen kann.“
Hier finden Sie einen Audio-Podcast zum Thema
(Universität Bonn, 29.07.2008 – NPO)