Astronomie

Saturnmond Titan hat Regen und Seen

Ströme und Seen aus flüssigen Kohlenwasserstoffen jetzt eindeutig bewiesen

Aufnahme des Titansees mit überlagertem Farbratio in Falschfarben © NASA/ JPL /University of Arizona/Space Science Institute

Bisher galt die Erde als der einzige Ort im Sonnensystem, an dem es regnet und die Niederschläge sich in Flüssen sammeln, bevor sie in ein stehendes Gewässer münden. Nun haben Forscher, darunter auch Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), mit der Raumsonde Cassini erstmals eindeutig die Existienz von Seen und einen komplexen Flüssigkeitskreislauf auf dem Saturnmond Titan belegt.

Ebenso wurde herausgefunden, dass es auf Titan auch regnet und sich aus den Niederschlägen Ströme bilden, die über die Oberfläche fließen und tief eingeschnittene Täler aus der eisigen Landschaft erodieren. „Wir sind uns sicher, dass es auf Titan mindestens einen großen mit Flüssigkeit gefüllten See gibt“, erklärt Professor Ralf Jaumann vom Berliner DLR-Institut für Planetenforschung. „Die Messungen mit dem Spektrometer VIMS an Bord der Cassini-Sonde sind eindeutig: Nahe dem Südpol des Titan haben wir einen See entdeckt, der mit flüssigem Ethan gefüllt ist: In dem See steht gewissermaßen flüssiges Erdgas.“

Großer See und Erosionsspuren

Wahrscheinlich ist, dass sich das Ethan mit anderen Flüssigkeiten vermischt hat, wie beispielsweise Methan oder anderen leichten Kohlenwasserstoffen aus der Familie der Alkane. Der jetzt gefundene See trägt den Namen Ontario Lacus, in Anlehnung an den 300 Kilometer langen Ontariosee in der Nähe der Niagarafälle an der Grenze zwischen den USA und Kanada, dem er in seiner Größe und vom Umriss her ähnelt.

In einer zweiten Studie, die unter Federführung von Jaumann entstand, untersuchten die Forscher in anderen Gebieten auf dem Titan weit verzweigte Täler. „Diese können eigentlich nur durch die Erosionswirkung einer Flüssigkeit entstanden sein“, erklärt der Berliner Planetenforscher, der auch an der Forschungsarbeit zu Ontario Lacus maßgeblich beteiligt ist. Erstmal wurde dieses „Gewässernetz“ in einer hügeligen Landschaft auf dem Titan in Bildern der Atmosphärensonde Huygens entdeckt, die mit Cassini zum Saturn befördert wurde und am 14. Januar 2005 durch die Titanatmosphäre flog, ehe sie sicher auf dem Saturnmond landete.

So viel Flüssigkeit wie im Rhein

Wissenschaftler vermuteten seit längerem, dass es auf dem Titan, dessen dichte Atmosphäre keinen direkten Blick auf seine Oberfläche ermöglicht, flüssiges Methan, Ethan oder andere leichte Kohlenwasserstoff-Verbindungen gibt. Allerdings ist die Titanatmosphäre so dicht, dass mit gewöhnlichen Kameras nur ein verschwommener Blick auf die eisige Oberfläche des Mondes möglich ist. Nur durch so genannte „atmosphärische Fenster“, in ganz bestimmten, eng begrenzten Wellenlängen des nahen Infrarot, ist es möglich, Details der Titanlandschaft zu erkennen.

Die VIMS-Aufnahmen, die eine Auflösung von 500 Metern pro Bildpunkt (Pixel) haben wurden dem ISS-Bild als Falschfarbenbild überlagert. Für das untere Bild wurden die infraroten Wellenlängen 4,99 Mikrometer, 2,03 Mikrometer und 1,29 Mikrometer auf die drei Farbkanäle rot, grün und blau gelegt; weil Flüssigkeiten stark bei 5 Mikrometer und flüssiges Ethan besonders bei 2,03 Mikrometer absorbieren, erscheint der mit flüssigem Ethan gefüllte Ontario Lacus als dunkelblaue Fläche. Möglicherweise enthält der See auch flüssiges Methan, das sich wegen des relativ hohen Methangehalts der Titanatmosphäre jedoch nicht eindeutig nachweisen lässt. Der See ist umgeben von einem schmalen, hellen Band, das vermutlich eine Übergangszone, eine Art "Strand" darstellt. © NASA/ JPL /University of Arizona/Space Science Institute

„Inzwischen haben wir auch an zahlreichen anderen Stellen auf dem Titan mit dem Spektrometer und dem Radar-Instrument derartige Talsysteme entdeckt“, erklärt DLR-Forscher Jaumann. „Unsere Auswertungen zeigen, dass in diesen Tälern zumindest zeitweise erhebliche Mengen an Flüssigkeiten geflossen sein müssen.“ Angepasst an die Bedingungen auf dem Titan könnten bis zu 1.600

Kubikmeter Flüssigkeit pro Sekunde in den Gräben geströmt sein – das sind etwa zwei Drittel der Wassermenge, die aus dem Rhein in die Nordsee fließt.

Regen als Quelle

Die flüssigen Kohlenwasserstoffe können nur zwei Quellen haben: Entweder regnet es aus der Atmosphäre des Titan gelegentlich Methan und Ethan, oder vulkanische Wärme aus dem Innern des Mondes mobilisieren die bei minus 180 Grad flüssigen Kohlenwasserstoffe aus dem Innern. „Wir tendieren dazu, Niederschläge als die wahrscheinliche Quelle der Flüssigkeiten anzunehmen, weil die verzweigten Talsysteme sich über weite Gebiete erstrecken und nicht von singulären Quellen ausgehen, beantworten lassen wird sich das aber erst mit weiteren Messungen, die wir für die kommenden zwei Jahre geplant haben.“

Eindeutige Belege erst jetzt gelungen

Der Nachweis, dass sich im Ontario Lacus tatsächlich eine Flüssigkeit befindet, gelang mit Messungen des Spektrometers VIMS (Visual and Infrared Mapping Spectrometer), einem abbildenden Spektrometer für das sichtbare Licht und Wellenlängen des nahen Infrarots an Bord von Cassini. Das VIMS-Team, in dem auch Jaumann Mitglied ist, veröffentlicht seine Forschungsergebnisse in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature, sowie in der Fachzeitschrift Icarus.

Damit ist ein wichtiger Fortschritt in der Erforschung des Titan und des Saturnsystems markiert worden: Zwar wurde schon vor der Cassini-Mission spekuliert, dass es auf Titan sogar einen Ozean aus Methan oder Ethan gibt. Doch weder die bisherigen Messungen von Cassini aus der Umlaufbahn um den Saturn, noch die Experimente der von Cassini abgetrennten Atmosphärensonde Huygens, die am 14. Januar 2005 auf der Eisoberfläche des Titan landete, lieferten eindeutige Beweise für einen solchen Ozean. Nach insgesamt 40 Titanvorbeiflügen seit der Ankunft von Cassini am 30. Juni 2004 im Saturnsystem ist nun der Nachweis gelungen, daß es zwar keinen Ozean auf Titan gibt, aber doch Seen und einen komplexen Flüssigkeitskreislauf.

Erste Hinweise schon 2005

Die Vermutung, auf Titan gebe es aber wenigstens vereinzelt stehende Gewässer, existiert seit Mitte 2005, als das Cassini-Kamerasystem Teile der Südhalbkugel mit einem Filter im nahen Infrarot aufgenommen hatte. Darin war Ontario Lacus als ebene, das Licht kaum reflektierende Fläche zu erkennen. Später entdeckte das Radar von Cassini in hohen nördlichen Breiten zahlreiche ausgedehnte, auffallend glatte und an Seen erinnernde Flächen.

Ähnlich wie bei Ontario Lacus stellten die Forscher auch für diese nördliche „Seenplatte“ ein ziemlich schwaches Reflexionsvermögen fest. Auch mit VIMS wurde diese Gegend damals untersucht. Doch waren die Messungen wegen der dort dichteren Atmosphäre stark verrauscht und zudem in ihrer Auflösung zu niedrig, so dass keine genaueren Erkenntnisse möglich waren. Wenn Ende kommenden Jahres auf der Nordhalbkugel Titans der Frühling einsetzt, werden der Orbit von Cassini und die Voraussetzungen für genauere Beobachtungen mit VIMS viel günstiger sein. Damit kann vielleicht auch für diese Flächen der Nachweis erbracht werden, dass es sich um Seen handelt.

„Urzeitlabor“ im Sonnensystem

Titan ist mit einem Durchmesser von 5150 Kilometern der zweitgrößte Mond im Sonnensystem – und der einzige, der von einer nennenswerten Atmosphäre umgeben ist. Die Gashülle des Titan besteht zu etwa 95 Prozent aus Stickstoff, dazu kommen Spuren von Methan und Ethan. Damit ähnelt sie der Erdatmosphäre zu einer Zeit, bevor diese sich vor drei bis vier Milliarden Jahren durch die Evolution des Lebens zu verändern begann. Wegen der Existenz organischer Moleküle, also Kohlenwasserstoff-Verbindungen, ist die Titanatmosphäre ein spannendes Labor, um chemische Prozesse zu studieren, wie sie vor drei bis vier Milliarden Jahren auf der Erde abliefen. Unter der Eiskruste des Titan vermuten einige Forscher sogar eine Schicht geschmolzenen Wassers, einen Ozean

in mehreren Kilometern Tiefe. All dies macht den Saturntrabanten zu einem der interessantesten Ziele der Erforschung des Sonnensystems.

(Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), 31.07.2008 – NPO)

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