Besonders emotionale Erfahrungen prägen sich uns am stärksten ein. Im Gehirn geschieht dies durch neue oder gestärkte Verbindungen von Nervenzelle zu Nervenzelle. Jetzt haben Wissenschaftler ein Molekül entdeckt, das entscheidend die Stärke dieser Verbindungen beeinflusst und damit auch durch Traumata eingeprägte Ängste dämpfen könnte. Die Forscher berichten darüber in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS).
Fasst ein Kind auf eine heiße Herdplatte, wird es sehr wahrscheinlich das erste und letzte Mal gewesen sein. Der Grund für dieses schnelle Lernen liegt im Mandelkern. Dies ist ein kleiner Bereich im Gehirn, der Erlebnisse mit Emotionen verknüpft. Im Mandelkern werden die Herdplatte, der erlebte Schmerz und eine leichte Furcht miteinander verbunden – ein erneutes Anfassen wird in Zukunft vermieden. Während diese Verknüpfung von Furcht und Erlebnissen den Körper häufig vor Schaden schützt, kann eine falsche oder unverhältnismäßige Verknüpfung zu großen Problemen führen. Ein Beispiel sind Phobien, bei denen relativ harmlose Gegenstände oder Situationen mit Angst verbunden werden. Doch wie bilden die Nervenzellen solche Verknüpfungen? Und wie werden sie reguliert?
Rezeptor regelt Verbindungen zu Nachbarzellen
Erinnerungen und auch Angst-Erlebnis-Verknüpfungen entstehen, wenn Nervenzellen neue Kontakte zu ihren Nachbarzellen aufbauen oder bestehende Kontakte verstärken. Für die Signalübertragung an solchen Kontaktstellen sind sogenannte Eph-Rezeptoren wichtig, die auf der Oberfläche der Nervenzellen sitzen und eine Art Antennenfunktion ausüben. Bindet eine Nachbarzelle mit den
entsprechenden Bindungspartnern an diese Rezeptoren, wird die Signalübertragung verstärkt. Je weniger Eph-Rezeptoren eine Zelle auf ihrer Oberfläche hat, desto schwächer wird die Kommunikation mit anderen Nervenzellen – die Verknüpfung von Emotionen und Erlebnissen im Mandelkern wird zunehmend schwerer.
Molekül räumt Rezeptoren ab
Wissenschaftler der Max-Planck-Institute für Neurobiologie und Psychiatrie und des Klinikums Großhadern (LMU) haben nun ein Molekül erforscht, das die Menge der Eph-Rezeptoren auf der Oberfläche von Nervenzellen kontrolliert. Rin1, so der Name des Moleküls, sorgt dafür, dass Eph-Rezeptoren vermehrt von der Zelloberfläche in die Zelle hinein transportiert werden.
Fehlt Rin1 in den Nervenzellen des Mandelkerns einer Maus, bleibt die Menge an Eph-Rezeptoren hoch. Das Resultat ist eine verstärkte Signalübertragung zwischen den Nervenzellen – die molekulare Grundlage für eine erhöhte Angstreaktion. Fehlt hingegen der Eph-Rezeptor, wird die Kommunikation zwischen den Nervenzellen nicht verstärkt und eine Verknüpfung von Emotion und Erlebtem wird vermutlich schwer.
Ansatzstelle für Angst-Therapien?
Rin1 ist das erste bekannte Molekül, das die Verfügbarkeit von Eph- Rezeptoren im erwachsenen Gehirn begrenzt. „Wir beginnen allmählich zu verstehen, wie Emotionen mit Erlebnissen auf molekularer Ebene verbunden werden“, sagt Rüdiger Klein, der Leiter der Studie. Solch ein Verständnis ist Voraussetzung auch für mögliche Entwicklungen von Medikamenten.
„Grundlagenwissen wie die nun gezeigte Regulierung der Eph-Rezeptoren durch Rin1 könnte es in Zukunft erlauben, mangelnde Signalübertragung zwischen Nervenzellen zu verbessern oder schädliche Verbindungen zu eliminieren“, hofft Katrin Deininger als Langzeit-Ziel für ihre Studie. Das wären gute Aussichten, denn Eph-Rezeptoren spielen auch bei anderen Prozessen eine wichtige Rolle, zum Beispiel bei der Entwicklung oder Regeneration des Nervensystems.“
(MPG, 05.08.2008 – NPO)
5. August 2008