Neurobiologie

Asiaten merken sich Gesichter anders als Westler

Gesellschaft prägt Mechanismus der Gesichtererkennung

Blaue Flecken zeigen die von Menschen aus Ostasien besonders häufig fixierten Punkte, rötlich die von Menschen aus westlichen Gesellschaften. © PLoS/Caroline Blais et al.

In der Fähigkeit, ein Gesicht zu erkennen, gibt es deutliche kulturelle Unterschiede. Menschen aus westlichen Kulturkreisen erkennen ein Gesicht eher an seinen Einzelmerkmalen, Asiaten registrieren dagegen den Gesamteindruck. Dieser überraschende Widerspruch zur bisherigen Lehrmeinung zeigte sich in Experimenten schottischer Forscher.

Westler sehen einzelne Merkmale, Asiaten die Gesamtheit

In einer Serie von Experimenten werteten Wissenschaftler der Universität Glasgow die Augenbewegungen von Probanden aus verschiedenen Kulturkreisen und ihre Hirnaktivität mithilfe von modernen bildgebenden Verfahren aus. Dabei entdeckten sie überraschende Unterschiede in der Art und Weise, wie Angehörige westlicher und ostasiatischer Kulturen das Gesicht ihres Gegenübers mustern.

„Wir stellten fest, dass Westler dazu neigen, spezifische Merkmale im Gesicht eines Individuums anzuschauen, wie die Augen oder den Mund”, erklärt Roberto Caldara von der Universität von Glasgow. „Ostasiaten dagegen konzentrieren sich auf die Nase oder das Zentrum eines Gesichts, was ihnen einen allgemeineren Überblick über alle Merkmale gibt.“

Gesellschaft prägender als gedacht

Diese jetzt in der Fachzeitschrift „PloS One“ veröffentlichten Ergebnisse sind besonderes interessant, weil die Gesichtererkennung bisher immer als eine Fähigkeit galt, die universell bei allen Menschen nach dem gleichen Mechanismus abläuft. Die aktuelle Studie belegt nun aber, dass die Gesellschaft einen größeren Einfluss auf diese Fähigkeit hat als bisher angenommen.

„Indem wir die lang gehegte Annahme widerlegen, dass Gesichtererkennung universell ist, haben wir auch gezeigt, dass die Umwelt, darunter die Gesellschaft, in der wir uns entwickeln, sehr einflussreich auch für grundlegende menschliche Mechanismen ist“, so Caldara. „Wir sollten daher vorsichtig sein, wenn wir versuchen Forschungsergebnisse auf die gesamte menschliche Bevölkerung zu übertragen.“

Die Ergebnisse der Studie liefern auch neue Einblicke darin, warum die nonverbale Kommunikation zwischen Menschen verschiedener Kulturen manchmal so schwierig ist. Westliche Gesellschaften seien weitaus individualistischer, asiatische dagegen kollektivistisch, so die Autoren. Westler denken und sehen ihrer Ansicht nach fokussierter, Asiaten dagegen globaler.

(University of Glasgow, 25.08.2008 – NPO)

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