Wie viel Wald gibt es wirklich weltweit? Dies untersucht die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) regelmäßig im Rahmen von Waldinventuren. Um die Volkszählung für den Waldzustandsbericht 2010 noch genauer zu machen, werden dabei dieses Mal erstmals auch Radarsatelliten eingesetzt. Die Bilder sollen nicht nur genauere Aussagen über den globalen Waldanteil, sondern auch über die Nutzung der Landflächen und das Voranschreiten von Abholzungen möglich machen.
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Seit Jahrzehnten schreiten die weltweiten Waldverluste weiter voran – das Tempo allerdings hat sich leicht verringert. Das zumindest sagt der aktuelle Waldzustandsbericht der FAO. Seit 1946 führt sie regelmäßig eine globale Waldinventur durch, bei der die Waldflächen eines jeden Landes bestimmt und in einem Waldzustandsbericht zusammengefasst werden. Dieser basierte bisher ausschließlich auf Daten, die die nationalen Forstbehörden der FAO lieferten.
TerraSAR-X liefert Daten
Für den kommenden Waldzustandsbericht des Jahres 2010 hat die FAO erstmals die Nutzung von Radarsatelliten zur Klassifikation von tropischen Waldgebieten, innerhalb des so genannten Remote Sensing Survey (RSS) beschlossen. RSS meint die Erfassung der Erdoberflächen durch Fernerkundung, wie zum Beispiel durch Radarinstrumente. Der Geograph Ralf Knuth von der Universität Jena wertet im Auftrag des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt und der FAO in dem Projekt „FRA-SAR 2010“ diese Radardaten aus.
Es ist der deutsche Fernerkundungssatellit TerraSAR-X, der dem Geographen aus seiner rund 500 Kilometer hohen Umlaufbahn extrem detaillierte Radar-Daten bei Tag und Nacht und nahezu unabhängig von jedem Wetter liefert. Während sich die Erde unter dem Satelliten hinwegdreht, tastet TerraSAR-X die Erdoberfläche ab.
Natürliche Waldflächen identifizieren
„Die häufige Bewölkung vor allem in tropischen Gebieten lässt die optische Satellitenmessung an ihre Grenzen geraten“, weiß Knuth. Darüber hinaus sind anhand der TerraSAR-X Radardaten Objekte bis auf zwei Meter erkennbar: „Wir können so natürliche Waldflächen von Plantagen unterscheiden, sogar einzelne Baumkronen erkennen und Baumhöhen ableiten“, berichtet der Promotionsstudent vom Lehrstuhl für Fernerkundung.
Per Stichprobenerhebung auf einem Gebiet von zehn mal fünf Kilometern liefert das Radar exakte Bilder der Erdoberfläche, die so genau sind, dass Waldflächen deutlich erkennbar sind. Der bewaldete Flächenanteil des Stichprobengebietes wird dann auf die Fläche des jeweiligen Landes hochgerechnet.
„50 Stichproben werde ich selbst untersuchen“, berichtet Knuth, der gerade erste Daten der östlich von Australien liegenden Inselrepublik Vanuatu auswertet. Bei fünf Stichproben wird er die Daten des japanischen Radarsensors ALOS-PALSAR und des europäischen Radarsystems der ESA, Envisat-ASAR, zusätzlich einbeziehen.
Forscher bestimmen Biomasse
„Wenn wir die Daten aller drei Radare zusammenführen, gelingt es uns bestimmt, Aussagen über die Biomasse von tropischen Wäldern zu treffen“, sagt der Geograph von der Universität Jena. Weitere 300 Satellitenszenen werden zwar am Jenaer Institut für Geographie vorbereitet, sollen jedoch von den Ländern selbst ausgewertet werden. Dafür wird Knuth einen Leitfaden verfassen, der in Kombination mit Trainingskursen der FAO die beteiligten Organisationen der Länder bei der Verarbeitung der Daten anleitet.
Streit um Wald
„Die Experten der Vereinten Nationen entscheiden letztendlich, welche Flächen nach ihren Kriterien als bewaldet gelten und welche nicht“, erklärt Knuth. Streitfälle gibt es dabei genug: So diskutieren Experten, ob Kokosplantagen in Afrika und Weihnachtsbaumplantagen in Nordeuropa mit zu den natürlichen Waldflächen gezählt werden oder nicht.
Hinter den Streitigkeiten verbergen sich auch politische Absichten: Ein riesiges Schlupfloch im Kyoto-Protokoll, durch dass sich die Staaten ihrer Verantwortung zur Reduzierung des CO2-Verbrauchs entziehen konnten, bestand in der bisherigen Ungenauigkeit der Angaben der Länder über ihre Waldflächen. „Dank des RSS können die Flächen nun exakter ausgewiesen werden“, so Knuth. Das Jenaer Projekt FRA-SAR 2010 könnte somit dazu beitragen, das ein oder andere Schlupfloch zu schließen.
(idw – Universität Jena, 18.09.2008 – DLO)