Das Phänomen der Supraleitung ist trotz jahrelanger, weltweiter Forschung bis heute nicht endgültig geklärt. Jetzt sind Forscher aber beim Verständnis von Hochtemperatur-Supraleitern einen entscheidenden Schritt weiter gekommen. Mit Hilfe polarisierter Neutronen haben sie einen verborgenen Magnetismus in Supraleitern entdeckt und damit bisherige Theorieansätze widerlegt. Die Physiker berichten über ihre Ergebnisse im Wissenschaftsmagazin „Nature“.
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Bisher geht ein Zehntel des weltweiten Verbrauchs an elektrischer Energie schon in den Überlandleitungen durch deren Widerstand verloren. Zunehmend werden in Hochspannungsleitungen, Motoren oder Generatoren deshalb Hochtemperatur-Supraleiter eingesetzt. Diese sind bei tiefen, aber relativ einfach zu erzeugenden Temperaturen in der Lage, Strom ohne jeglichen Verlust zu transportieren.
Ungewöhnliche magnetische Ordnung
Um das enorme technologische Potenzial der Supraleitung voll nutzen zu können, ist es nötig die physikalischen Prinzipien dieser Materialien zu verstehen. Eines der fundamentalen Probleme liegt hierbei in deren metallischem Zustand. Ehe das Material supraleitend wird, beobachtet man einen sehr ungewöhnlichen Zustand. Dabei ist es nicht klar, ob dieser Zustand allmählich eingenommen wird, oder ob es sich bei dieser charakteristischen Temperatur um eine scharfe Phasengrenze handelt. Diese Phase würde dann in Konkurrenz zur Supraleitung treten.
Die Wissenschaftler des 1. Physikalischen Instituts der Universität Stuttgart, der Stanford University in den USA, dem Laboratoire Léon Brillouin in Frankreich, der Pusan University in Süd-Korea und der Jilin University in China konnten nun an einem modellhaften Hochtemperatur-Supraleiter messen, bei wie vielen Neutronen sich der Spin durch die Streuung umkehrt und wie sich dies ändert, wenn die Temperatur abgesenkt wird.
Diese Methode erlaubt detaillierte Aussagen über die magnetischen Eigenschaften eines Materials. In den sehr präzisen und empfindlichen Messungen konnte erstmals festgestellt werden, dass die charakteristische Temperatur durch das Auftreten einer ungewöhnlichen magnetischen Ordnung gekennzeichnet ist.
Translationsinvarianz nicht gebrochen
Überraschenderweise wird die Translationsinvarianz nicht gebrochen. Das heißt, jeder kleinste Baustein des Kristalls ist gleich magnetisch. Unterhalb der charakteristischen Temperatur zeigt sich der Magnetismus der Atome, doch in jeder Kristallzelle jeweils in entgegengesetzter Richtung. Von außen ist dies nicht zu sehen: Der ganze Kristall bleibt weiterhin unmagnetisch, weswegen das Phänomen bisher auch nicht entdeckt wurde.
Durch die aufsehenerregenden Ergebnisse sind Theorien widerlegt, die annahmen, dass es sich bei der charakteristischen Temperatur nur um einen allmählichen Übergang, aber nicht um einen echten Phasenübergang handle. Damit ist laut den Wissenschaftlern der Weg nun frei, für ein echtes Verständnis der Hochtemperatur-Supraleitung.
(idw – Universität Stuttgart, 19.09.2008 – DLO)