In deutschen Städten wachsen zwar mehr Pflanzenarten als auf dem Land, diese sind jedoch stärker untereinander verwandt und übernehmen oft ähnliche Funktionen. Dadurch sind Ökosysteme in der Stadt empfindlicher gegenüber Umwelteinflüssen. Zu diesem Ergebnis sind jetzt Ökologen nach Auswertung von 14 Millionen Einträgen in der bundesweiten Datenbank „FLORKART“ gekommen.
Der Naturschutz müsse sich wegen der verändernden Umweltbedingungen nicht nur um den Erhalt einer möglichst großen Anzahl an Arten, sondern auch um deren verwandtschaftliche Vielfalt kümmern, so die Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) im Fachjournal „Ecology Letters“. Da die Urbanisierung bereits weit fortgeschritten ist und noch weiter fortschreiten werde, sei es nötig, Strategien zum Schutz der Artenvielfalt auch innerhalb von Städten zu entwickeln.
Die Urbanisierung der Welt nimmt stark zu. Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Städten, in Europa sind es sogar über 70 Prozent. Dass die Anzahl der Arten in Städten größer ist als im Umland, hat verschiedene Ursachen: Viele Städte sind in geologisch und strukturell vielfältigen Landschaften entstanden und daher schon von Natur aus artenreich, die Städte selber sind sehr vielfältig strukturiert, die Temperaturen sind höher als im Umland, einheimische und neue Arten werden häufig in Städte eingeführt.
Verwandtschaftsbeziehungen sind wichtig
Städte beherbergen zwar mehr Arten als ihr Umland, für den Erhalt der biologischen Vielfalt ist jedoch nicht nur die reine Anzahl an Arten von Bedeutung, sondern auch deren Verwandtschaftsbeziehungen: Jede Art ist Träger ererbter Informationen, zum Beispiel über die Art ihrer Bestäubung oder die Struktur ihrer Blätter. Je größer die verwandtschaftliche Vielfalt einer Artengemeinschaft ist, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie Arten mit verschiedenen Merkmalen beinhaltet.
Die Merkmale, und folglich auch die verwandtschaftliche Vielfalt, sind also das Rüstzeug, das Pflanzengemeinschaften die Reaktion auf verschiedene Umweltereignisse ermöglicht. Ohne das Wissen um Merkmale und Verwandtschaftsbeziehungen – ihre Phylogenie – wäre das Verständnis, wie Artengemeinschaften sich entwickeln und wie sie mit veränderten Umweltbedingungen zurechtkommen, unvollständig.
Andere Umweltfilter in städtischen Gebieten
Für ihre Studie legten die UFZ-Wissenschaftler ein Gitter mit rund zwölf Kilometer breiten Zellen über die Bundesrepublik und charakterisierten die Zellen anschließend anhand der Landnutzung. 59 Zellen wurden als Stadt-, 1.365 als Agrar- und 312 als Wald- bzw. naturnahe Landschaften eingestuft.
„Unsere Ergebnisse lassen vermuten, dass in städtischen Gebieten andere Umweltfilter wirken als in ländlichen Gebieten“, erklärt Sonja Knapp vom UFZ. Der Verlust an phylogenetischer Information verringert die Chancen von Artengemeinschaften, auf Veränderungen in der Umwelt zu reagieren und könnte langfristig die Funktionen von städtischen Ökosystemen negativ beeinflussen.
(idw – Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, 19.09.2008 – DLO)