Astronomie

Regen auf dem Mars?

Vor vier Milliarden Jahren bildeten sich in Einschlagkratern Ablagerungen von Seen

Xanthe Terra im Marshochland © ESA / DLR / FU Berlin / G. Neukum

Vor etwa vier Milliarden Jahren gab es Seen auf dem Mars, die möglicherweise durch Niederschläge von kurzlebigen Flüssen gespeist wurden. Diese Seen bildeten sich in Kratern, die durch Einschläge von Meteoriten entstanden sind. Wo Flüsse die Kraterränder durchbrachen, sammelte sich das Wasser im Becken des Kraters. Zu diesen Ergebnissen ist jetzt ein internationales Forscherteam gekommen, das die neuesten Bilddaten der Marsoberfläche analysiert hat.

Wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Planetary and Space Science“ weiter berichten, entstanden an den Mündungen der Flüsse Deltas, wie sie auch auf der Erde an Flussmündungen in Seen oder Meeren gebildet werden. Auf den Bildern entdeckten sie sogar in den Kratern die nur wenig von der Erosion beeinflussten Ablagerungen der Deltas.

Die Wissenschaftler um Ernst Hauber vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) untersuchten in ihrer neuen Studie die Region Xanthe Terra nahe dem Äquator im Marshochland.

Bilder von drei Marssonden ausgewertet

„Schon seit Jahren wird vermutet, dass das heutige Bild der Landschaft zum Teil von Flüssen geformt worden ist, die sich in die Oberfläche gegraben haben“, erklärt der Geologe Hauber. „An den Stellen, wo diese Täler in Einschlagkrater münden, sehen wir geschichtete Sedimente. Die Form von einigen Ablagerungen ist typisch für Deltas, die sich in einem stehenden Gewässer bilden.“

Die Forscher werteten für ihre Arbeit Bilder dreier Marssonden aus. Sie stammen von der deutschen Stereokamera HRSC auf der europäischen Mission Mars Express, von der Mars Orbiter Camera (MOC) auf der NASA-Mission Mars Global Surveyor sowie von den Kameraexperimenten HiRISE und CTX auf der NASA-Mission Mars Reconnaissance Orbiter (MRO). Mit der vom DLR betriebenen HRSC können große zusammenhängende Gebiete in hoher Auflösung und in „3D“ abgebildet und daraus so genannte digitale Geländemodelle abgeleitet werden, mit denen die Topographie der Marslandschaft ermittelt wird.

Die Aufnahmen der HiRISE-Kamera auf MRO ermöglichen die Untersuchung kleiner, ausgewählter Gebiete in Bildern, die Details von weniger als einem Meter Größe auf dem Mars erkennen lassen.

Alluvial fans

Flüsse transportieren erodiertes Material talwärts. Wenn die Fließgeschwindigkeit nachlässt, reicht die Energie nicht mehr aus, um diese Sedimentfracht weiterzubewegen, und sie wird abgelagert. Da dies typischerweise dort geschieht, wo ein Fluss in ein größeres Becken mündet und hier das Wasser nicht oder fast nicht mehr fließt, bilden sich an diesen Stellen sedimentäre Ablagerungen.

Die Art der Ablagerung hängt dabei von der Natur dieses Beckens ab: Ist es mit Wasser gefüllt, also ein See oder ein Meer, bilden sich Deltas. Ist das Becken dagegen trocken, etwa in der Wüste, verliert der Fluss seine Geschwindigkeit und versickert langsam, wobei so genannte Playas entstehen können. Die Ablagerungen in dieser trockenen Umgebung werden alluviale Schwemmkegel genannt – englisch: alluvial fans. Die Analyse von Sedimentkörpern kann also zeigen, ob früher Seen auf dem Mars existierten.

Deltaausläufer © NASA / JPL-Caltech / University of Arizona.

Tiefe Täler in Xanthe Terra

Die Hochebene Xanthe Terra in der Äquatorregion des Mars ist von tief eingeschnittenen Tälern durchzogen. Schon lange vermuteten die Forscher, dass sie von Wasser erodiert wurden. Ein besonders schönes Delta befindet sich hier in einem kleinen Krater mit nur fünf Kilometern Durchmesser. Der Nanedi-Fluss mündet von Süden her in den Krater, wo das Material fächerförmig verteilt wurde. Fast der gesamte Krater ist mit Sedimenten gefüllt. Topographische Messungen, die aus Stereobildern der HRSC-Kamera abgeleitet wurden, zeigen, dass die Dicke des Materials mindesten 50 Meter beträgt und die Ablagerungen eine Fläche von ungefähr 23 Quadratkilometern bedecken.

Am Rand der Sedimente sind sehr dünne Schichten zu erkennen, die auch auf der Erde typisch für Deltas sind. Besonders interessant ist die Beobachtung eines kleinen Tals, das den Krater nach Osten verlässt. Es beweist, dass tatsächlich Wasser in dem Krater „gestanden“ haben muss: „Wenn das Wasser in den Krater hinein und wieder heraus floss, muss es den Krater auch gefüllt haben“, sagt Hauber. Der DLR-Wissenschaftler weist darauf hin, dass dieser Fall recht selten auf dem Mars zu beobachten sei: „Wir sind uns hier und in ein paar anderen Fällen ziemlich sicher, dass Seen auf dem Mars existiert haben.“

Nanedi Valles ist ein Talsystem, das sich auf einer Länge von ungefähr 800 Kilometern in nordöstlicher Richtung durch Xanthe Terra erstreckt, eine von zahlreichen Einschlagkratern geprägte Hochlandregion südöstlich der Chryse-Ebene. Innerhalb des Farbbildes schwankt die Breite der Täler zwischen 800 Meter und 5 Kilometer, die Tiefe beträgt bis zu 500 Meter. Etwa in der Bildmitte vereinigen sich zwei Täler, die in ihrem weiteren Verlauf nach Norden immer schmaler werden: Vermutlich nahm die Wassermenge, die in diesem Tal geflossen ist, durch Verdunstung rasch ab, so dass auch die Erosionskraft in Richtung Norden immer geringer wurde. © ESA / DLR / FU Berlin / G. Neukum

Wasser satt vor vier Milliarden Jahren

Auch den Zeitraum, in dem die Krater mit Seen gefüllt waren, können die Forscher eingrenzen. Dazu werten sie die statistische Verteilung von Einschlagkratern unterschiedlicher Größe aus, die ein Maß dafür sind, wie alt eine Planetenoberfläche ist: Je mehr Krater auf einer Fläche gezählt werden, desto älter ist das Gebiet. Diese Kraterzählungen ergaben nun, dass die Täler vor etwa 3,8 bis vier Milliarden Jahren Wasser führten. Die Bildung der Täler selbst kann dabei relativ schnell erfolgen.

Berechnungen von Maarten Kleinhans von der Universität Utrecht in den Niederlanden, der sich ebenfalls an der Studie beteiligte, zeigen, dass die Ablagerungen – je nach Wassermenge – in Jahrzehnten bis Jahrtausenden entstanden sein könnten. Auch bei sehr geringem Wasserdurchfluss hätte es laut Kleinhans nicht mehr als einige hunderttausend Jahre gedauert, bis die Deltas ihre heutige Ausdehnung hatten. Gemessen an sonstigen geologischen Zeiträumen, insbesondere in der Planetengeologie, ist dies eine sehr kurze Zeit.

Niederschläge in der Frühzeit des Mars

Es muss also in der Frühzeit des Mars zu Niederschlägen gekommen sein. Diese flossen über die Oberfläche ab – auch dies ein Ergebnis der gemeinsamen Forschungsarbeit. „Das ist gar nicht so selbstverständlich, denn lange wurde gerätselt, ob die Täler auf dem Mars durch Austritt von Grundwasser und rückschreitende Erosion gebildet wurden, oder ob Wasser sich bei Regen oder nach Schneefall auf der Oberfläche sammelte und abfloss“, sagt Hauber. In letzter Zeit wurde wiederholt eine stärkere Rolle des oberflächlichen Abflusses diskutiert. „Unsere Ergebnisse weisen ebenfalls in diese Richtung, und wir sind überzeugt, dass beide Prozesse in Xanthe Terra eine wichtige Rolle spielten.“

Allzu lange dauerte dieser Zustand allerdings nicht an. Etwa vor 3,5 bis 3,8 Milliarden Jahren nahm die Intensität der Niederschläge ab und die Täler trockneten aus, so die Wissenschaftler. Seither ist die Erosion auf dem Mars minimal, was auch dazu beitrug, dass die eigentlich leicht erodierbaren Ablagerungen immer noch zu beobachten sind. Heute ist der Mars ein trockener Wüstenplanet, in dessen Tälern kein Wasser mehr fließt.

(Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), 25.09.2008 – DLO)

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