Ein komplexes soziales Umfeld war vermutlich verantwortlich dafür, dass sich die kognitiven Fähigkeiten unserer nächsten Verwandten weiterentwickelten. Dies haben jetzt Leipziger Wissenschaftler in einer neuen Studie belegt, über die sie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Current Biology“ berichten.
Die Hypothese zur „Machiavellischen Intelligenz“ bzw. zum „Sozialen Gehirn“ besagt, dass die Evolution des Hirnvolumens hauptsächlich vom Leben in komplex organisierten sozialen Systemen angetrieben werde. Soziale Komplexität habe also eine größere kognitive Herausforderung geboten als die Vielfalt der unbelebten Umwelt, da andere Individuen als „bewegliche Ziele“ mit unterschiedlichen Verhaltensweisen und -strategien aufeinander reagieren.
Fission-Fusion-System besonders komplex
Primaten, einschließlich des Menschen, leben in mehr oder weniger komplexen Gruppenstrukturen. Das so genannte Fission-Fusion-System (FF-System), in dem einige Affenarten organisiert sind, stellt dabei besondere Anforderungen an die Mitglieder einer Gruppe: Die Tiere brechen täglich in kleineren Verbänden mit unterschiedlicher Besetzung zur Futtersuche auf und kommen später, meist zur Nachtruhe, wieder zusammen. Individuelle Strategien und Verhaltensweisen der einzelnen Gruppenmitglieder erfordern unterschiedliche Reaktionen. Deshalb wird das FF-System in sozialer Hinsicht als besonders komplex eingestuft.
„Diese Gruppenstruktur könnte bestimmte kognitive Fähigkeiten wie zum Beispiel zurückhaltende (inhibitorische) Verhaltensweisen fördern und so die Individuen in einer wechselhaften sozialen Umgebung dazu befähigen, vorschnelle aber erfolglose Reaktionen zu unterdrücken“, erklärt Josep Call vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig.