Medizin

„Muttermoleküle“ eines zellulären Botenstoff enträtselt

Forscher analysieren erstmals Raumstruktur eines cGMP-bildenden Enzyms

Ausschnitt der GC-Struktur. Gezeigt sind verschiedene Aminosäuren, denen eine Rolle bei der Synthese von cGMP zugeordnet werden konnte, sowie ein Modell eines Analogons des Substrates GTP, das die Interaktionen des Enzyms mit dem Substrat veranschaulicht. © RUB

Der Botenstoff cGMP ist unter anderem bei der Regulation des Blutdrucks und beim Sehvorgang wichtig. Er wird durch Enzyme produziert, deren Funktionsweise und Struktur bisher unklar war. Jetzt haben Forscher deren Form und Wechselwirkungen erstmals analysiert. Sie berichten darüber in der aktuellen Ausgabe der Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS).

Ursprung vieler Krankheiten wie Diabetes und Krebs sind Fehler in der Kommunikation innerhalb von und zwischen Zellen. Sie können unter anderem bei der Benutzung der „second messenger“ entstehen, kleiner Moleküle, die Zellen häufig als Botenstoff zur Signalweiterleitung in ihrem Inneren verwenden. Ein bekannter second messenger ist das zyklische Guanosinmonophosphat (cGMP), das beim Menschen etwa bei der Regulation des Blutdrucks und beim Sehvorgang eine zentrale Rolle spielt. Seine Herstellung obliegt bestimmten Enzymen, den Guanylatzyklasen, die bislang ein Schattendasein fristeten: Da sie schwierig zu gewinnen sind, wusste man wenig über sie.

GCs: Kleine, feine Unterschiede

Der Botenstoff cGMP wird von den Guanylatzyklasen (GCs), hergestellt, wenn diese durch ein anderes Signalmolekül angeregt werden, zum Beispiel ein Hormon. Die Bereiche, die für die Herstellung von cGMP verantwortlich sind, sind bei allen bekannten GCs sehr ähnlich. Deutlich verschieden sind aber die Proteinbereiche, die für die Regulation dieser Synthese verantwortlich sind. So reagiert die sogenannte „lösliche GC“, die ein Hauptregulator des Blutdrucks ist, auf Stickstoffmonoxid. Andere GCs, die die Zellmembran durchspannen, können verschiedene Signale außerhalb der Zelle erkennen, z.B. Peptidhormone. Wenn sie durch Bindung des Hormons angeregt werden, „übersetzen“ sie dieses Signal in ein cGMP-Signal innerhalb der Zelle, wo es dann die benötigte Reaktion der Zelle bewirken kann.

Struktur und Funktion waren unbekannt

Genaue Einblicke in die Funktionsweise von GCs waren bisher nicht möglich, da es schwierig ist, sie in ausreichenden Mengen für biochemische und biophysikalische Experimente zu gewinnen. Insbesondere konnte bisher noch keine Struktur einer GC bestimmt werden. Das heißt, dass die genaue räumliche Anordnung der Atome des Proteins, die ein detailliertes Verständnis seiner Funktionsweise erst möglich macht, bisher unbekannt war. Der Arbeitsgruppe von Junior-Professor Clemens Steegborn ist es nun erstmals gelungen, die Struktur einer GC zu bestimmen und grundlegende Mechanismen der cGMP-Bildung zu verstehen.

Überraschung: Auch Bakterien haben GCs

Ein wichtiger Schritt dazu war die Identifizierung der ersten GC aus einem Bakterium. „Bisher war man davon ausgegangen, dass Bakterien kein cGMP herstellen“, erklärt Steegborn. „Wir konnten jetzt aber zeigen, dass das bakterielle Enzym Cya2 eine GC ist, und dass es ganze Familie von bakteriellen Genen gibt, die vermutlich für GCs kodieren.“ Anhand der dann untersuchten Raumstruktur von Cya2 konnten die Forscher einige Vorhersagen für die Funktionsweise der GC bestätigen, andere aber auch

korrigieren:

Von zwei Aminosäuren etwa, die für die Erkennung des Ausgangsstoffs (Substrats) GTP verantwortlich gemacht wurden, bildet nur eine die vermuteten „Wasserstoffbrücken“ zum Substrat. Die zweite Aminosäure trägt dagegen dazu bei, dass die Form der Bindungstasche optimal zum Substrat passt. Sie sorgt damit dafür, dass GTP besser gebunden werden kann als andere Substanzen, die nicht umgesetzt werden sollen, insbesondere das GTP-verwandte ATP. Auch konnten die Forscher zeigen, dass diese optimale Bindung des Substrats erst erfolgt, wenn dessen Umsetzung bereits begonnen hat. Bei der anfänglichen Bindung wird noch nicht zwischen GTP und ATP unterschieden.

Türöffner für hochspezifische Wirkstoffe

Diese Einblicke in die Erkennung und Umsetzung von GTP durch GCs ermöglichen ein Verständnis grundlegender Aspekte dieser Signalenzyme und zeigen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu den verwandten Adenylylzyklasen auf. „Diese detaillierten Informationen zu Interaktionen und dynamischen Prozessen bei der Substraterkennung geben uns wichtige Hinweise für die Entwicklung neuer Wirkstoffe“, sagt Steegborn. „Die Beeinflussung von GCs ist eine wichtige Behandlungsmöglichkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, und wird derzeit auch für andere Anwendungen untersucht, zum Beispiel zur Behandlung von Entzündungen und zur Verhinderung der Metastasenbildung bei Krebserkrankungen.“

Aufgrund der Ähnlichkeit der verschiedenen GCs sowie der verwandten Adenylylzyklasen sind GC-Strukturen und mechanistische Information wertvoll, um Wirkstoffe zu entwickeln, die ganz gezielt eines dieser Enzyme beeinflussen. Die Arbeiten an Cya2 haben dafür Modellcharakter. „Viele Informationen lassen sich auf die menschlichen GCs übertragen, andere werden helfen, nun auch die Raumstruktur der menschlichen GCs zu bestimmen“, so Steegborn.

(Ruhr-Universität Bochum, 08.10.2008 – NPO)

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