Ein Forscherteam der NASA hat mit einer neuen Methode rekordverdächtige Eisverluste im Golf von Alaska festgestellt. Sie nutzten dafür keine Radar- oder Höhenmessungen, sondern ermittelten die Entwicklung der Eismassen erstmals direkt aus Schwerkraftdaten des Satelliten GRACE. Die Küstengletscher Alaskas tragen überproportional stark zum globalen Meeresspiegelanstieg bei.
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Die Veränderungen der Kryosphäre – der Gletscher, Eiskappen und anderer dauerhaft von Eis bedeckter Gebiete – sind ein Schlüsselfaktor für den Anstieg des Meeresspiegels. Besonders die sensiblen Küstengletscher reagieren schnell auf Veränderungen des Klimas, doch das Verhalten der meist schwer zugänglichen Gebiete genau und kontinuierlich zu überwachen war bisher nur bedingt möglich. Per Flugzeug lassen sich Höhenveränderungen in der Eisdecke registrieren, doch Flüge sind nicht immer möglich und finden daher nur in unregelmäßigen Abständen statt. Noch aufwändiger sind Beprobungen vor Ort.
Golf von Alaska besonders sensibel und einflussreich
Der Geophysiker Scott Luthcke vom Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt und seine Kollegen haben jetzt Satelliten-basierte Methoden so verfeinert, dass es möglich wird, die Massenveränderungen einer Eisdecke im Laufe der Jahre und der Jahreszeiten zu beobachten. Als Versuchsgebiet wählten sie die Gletscher im Golf von Alaska, eine der für den Klimawandel sehr wichtigen Regionen.
„Die Region des Golf von Alaska ist 20 Mal kleiner als die eisbedeckte Fläche Grönlands, dennoch trägt sie fast halb so viel zum Schmelzwassereinstrom ins Meer bei wie Grönland und ist für rund 15 Prozent des heutigen Meeresspiegelanstiegs verantwortlich“, erklärt Luthke. „In Anbetracht der Tatsache, dass der Golf von Alaska einen unverhältnismäßig großen Anteil daran hat, ist es entscheidend, dass wir mehr über die Eisveränderungen in diesem Gebiet erfahren.“
Direkte Messung über Schwerkraftveränderungen
Das Forscherteam nutzte für die Messungen keine Radar- oder Höhendaten, sondern die Daten des „Gravity Recovery and Climate Experiment“ (GRACE), einer aus zwei Satelliten bestehenden Kombination von Messsonden in der Erdumlaufbahn. Sie registrieren noch winzigste Veränderungen der Erdschwerkraft, wie sie beispielsweise auch durch Veränderungen der auflagernden Eismassen eines Gletschers ausgelöst werden. Mithilfe einer neuen, verfeinerten Datenanalysemethode konnten Luthke und seine Kollegen nun in einem Gebiet von 49.000 Quadratkilometern die Entwicklung der Gletschermassen alle zehn Tage erfassen.
Eisverlust von 84 Gigatonnen pro Jahr
Das Ergebnis: Jedes Jahr verlieren die Gletscher des Golfs von Alaska rund 84 Gigatonnen an Masse – das entspricht dem Fünffachen der Wassermenge des Colorado River durch den Grand Canyon. Besonders große Eisverluste traten dabei in Yakutat, der Glacier Bay und der Region St. Elias auf. Die neuen Ergebnisse stimmen mit bereits zuvor beobachteten Trends von Flugzeugmessungen und anderen Satelliten überein.
Die gravierendste Schmelze ereignete sich 2004 nach einer sommerlichen Hitzewelle in der Region. Damals verloren die Gletscher 374 Gigatonnen Eis und schrumpften um 254 Quadratkilometer. Zum Vergleich: Der bisher größte Eisverlust in Grönland liegt bei 500 Gigatonnen im Sommer 2007. „Mit so schnellen Veränderungen in einer so kritischen Region müssen wir einfach sehr viel verlässlicher beobachten, wie die Gletscher reagieren“, so Luthke. „Die direkte Messung der Eismassenvariation ist wichtig, auch um unsere Modelle zu verbessern und zukünftige Veränderungen besser vorhersagen zu können.”
(NASA, 11.11.2008 – NPO)