Wissenschaftlern der Universität Boston ist jetzt erstmals die nanomechanische Messung einer Torsion eines Nanodrahtes gelungen, die durch die Umkehrung des Drehimpulses von Spin-polarisierten Elektronen verursacht wurde.
Die Messung bestätigt eine über zehn Jahre alte von den theoretischen Physikern Stefan Kettemann von der Jacobs University Bremen und Peter Fulde vom Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme in den Annalen der Physik veröffentlichte Vorhersage. Die Forscher berichten über den Effekt, von dem sie sich unter anderem neue Perspektiven in der Spintronik versprechen, in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Nature Nanotechnology“.
Die Spintronik nutzt das magnetische Moment von Elektronen zur Informationsdarstellung und -verarbeitung und nicht nur deren Ladung wie die herkömmliche Halbleiterelektonik. Das magnetische Moment steht in enger Beziehung mit einer Art Eigenrotation der Elektronen, dem quantenmechanischen Spin.
Zwischen „auf“ und „ab“
Dieser Spin kann nur zwei diskrete Zustände annehmen: er kann „auf“ oder „ab“ zeigen. In einem magnetischen Metall zeigen alle Spins in die gleiche Richtung, sie sind polarisiert. Fließt Strom – in Form von Elektronen – von einem unpolarisierten Metall in einen spinpolarisierten Magneten, müssen die Elektronen, deren Spin in die falsche Richtung zeigt, ihren Spin umkehren, was als „Spin-Flip“ bezeichnet wird.
Aufgrund des physikalischen Gesetzes der Erhaltung des Drehimpulses überträgt sich diese Umkehrung des elektronischen Drehimpulses als mechanische Torsionsenergie auf das Material. Wenn sehr viele Elektronen gleichzeitig ihren Spin umkehren, wird die winzige Drehimpulsänderung verstärkt und als mechanische Verdrillung von sehr dünnen Drähten im Nanomaßstab messbar.
Winzige Schalter für schnelle Informationstechnologie
In der experimentellen Messapparatur, die in enger Zusammenarbeit mit den beiden Theoretikern entworfen und im Tieftemperatur-Nanotechnologie-Labor der Boston University aufgebaut wurde, wurde ein Elektronenstrom von einem ferromagnetischen Kobaltdraht in einen nichtmagnetischen Golddraht geschickt. Am Kontaktpunkt der beiden Drähte von 50 Nanometer Durchmesser diente eine nanoelektromechanische Struktur, ein Resonator, bei dem zwei Flügel einander entgegen gerichtete Torsionsschwingungen ausführten, der Verstärkung des durch Elektronen-Spin-Flip erzeugten Torsionseffektes auf messbare Werte von zehn bis 22 NewtonMeter.
„Als wir die Idee einer Spin-Flip-Torsionswaage hatten“, erinnert sich Kettemann, „hielten wir es für einen so winzigen Effekt, der wenig mehr als ein Gedankenexperiment von theoretischen Physikern bleiben würde. Die jetzt geglückte Messung zeigt jedoch, dass man über magnetische Spin-Manipulation von Elektronen sehr winzige mechanische Bewegungen erzeugen kann, die man sich beispielsweise als zukünftige Basis eines winzigen Schalters von wenigen Nanometern Größe für eine sehr schnelle und energieeffiziente Informationstechnologie vorstellen kann“, so Kettemann weiter über die Bedeutung des Bostoner Experimentes.
(idw – Jacobs University Bremen, 12.11.2008 – DLO)