Die Erosion durch Gletscher hat nicht nur die Oberflächen der höchsten Gebirge geprägt, sie beeinflusst auch deren innere Struktur und deren Reaktion auf die Bewegungen der tektonischen Platten. Das haben amerikanische Forscher anhand einer Studie des St. Elias Gebirges in Alaska herausgefunden und berichten darüber in der Fachzeitschrift „Nature Geoscience“.
Die St. Elias Gebirgskette in Alaska ist das Ergebnis von zehn Millionen Jahren der Bewegung von tektonischen Platten. Sie türmten das Gebirge auf. Vor rund drei Millionen Jahren dann setzte die Vereisung dieser Region ein, Gletscher bedeckten das Gebirge und trugen Material ab, um es an anderer Stelle wieder abzulagern. Vor einer Million Jahren intensivierte sich das noch und die Eisströme und Schichten veränderten die Form und Entwicklung des Gebirges auf tiefgreifende Weise.
Modell und Studien vor Ort
Wie stark und in welcher Form die Vereisung auch das Wachstum und die innere Struktur des Gebirges verändert hat, das hat ein Team von Wissenschaftlern aus sieben amerikanischen Universitäten jetzt untersucht. Die Studie ist Teil des St-Elias Erosion-Tectonics-Projekts, das von der National Science Foundation gefördert wird und unter Leitung von Terry L. Pavlis von der Universität von Texas in El Paso steht. Die Forscher entnahmen Gesteinsproben an den entlegensten Ecken des Gebirges, setzten Instrumente aus und erbohrten Sedimentproben sogar auf dem vor dem Küstengebirge liegenden Schelf.
Ein zuvor erstelltes Modell der Gebirgsentwicklung hatte bereits gezeigt, dass das Klima bei St. Elias einen ungewöhnlich starken Einfluss auf die Gebirgsbildung gehabt hat. „Das St. Elias Orogen verhält sich sehr anders als Gebirge die in niedrigeren Breiten liegen und den größten Teil ihres Niederschlags als Regen erhalten“, erklärt James A. Spotila, Professor für Geowissenschaften an der Virginia Tech
Plattenbewegung als „Schneepflug“
Wie aber kann die Veränderung der Gebirgsoberfläche auf die interne Struktur einwirken? „Wenn man Schnee mit einem Schneepflug schiebt, wird er sich vor dem Pflug in immer der gleichen Form auftürmen“, so Spotila. „Bezogen auf die Entstehung von Gebirgen wird dies als Coulomb-Keil bezeichnet.” Während Nordamerika über die Pazifische Platte rutscht, türmt es Material auf und wirkt damit wie ein Pflug. Es entstand das St. Elias Gebirge mit einem typischen kurzen, steileren Hang auf der Seite des „Pflugs“ und einem lang auslaufenden zum Ozean hin.
Gletschererosion als „Bulldozer“
Dann kamen die Gletscher ins Spiel. Während des Beginns der Vereisung und der damit verbundenen Erosion versuchte der Gebirgskeil quasi, seine Form zu behalten. Aaron L. Berger von der Virginia Tech vergleicht den Prozess mit Sand, der von einem Bulldozer umher geschoben wird: „Wenn die Gletscher die Bergspitzen erodieren, beginnt sich der gesamte Sandkörper umzustrukturieren, um seine Keilform zu erhalten“, so der Forscher. Übertragen auf das Gebirge bedeutet dies, dass das Abtragen von Gestein den Druck auf den Untergrund verringert und damit die lokalen Spannungsmuster im Gestein verändert.
Tektonische Verwerfungen verändert
Tatsächlich ergab die Studie, dass der Klimawandel zum Kälteren nicht nur die Struktur des Gebirges sondern auch die Wirkung der tektonischen Plattenbewegung auf die Gebirgswurzeln verändert. „Der Keil ist noch immer vorhanden, aber schmaler, mit erodiertem Material am Fuß des flachen Hanges“, erklärt Berger. „Einige Verwerfungen, die zuvor auf den Druck durch den Pflug der tektonischen Platte reagiert haben, sind so umstrukturiert, dass sie nun auf die Erosion reagieren.“ Spotila ergänzt: „Es ist bemerkenswert, dass Klima, Wetter und die Atmosphäre einen so profunden Einfluss auf die Tektonik und das Verhalten der festen Erde haben können.“
(Virginia Tech, 19.11.2008 – NPO)