Kieler Forscher haben herausgefunden, dass so genannte „neue“ oder „verwaiste“ Gene erheblichen Anteil an der Evolution artspezifischer Merkmale haben. Diese Gene sind charakteristisch für eine bestimmte Tiergruppe oder Tierart. Sie gelten als neu oder verwaist, weil sie nur in dieser Tiergruppe vorkommen und keinen Genen in anderen Tiergruppen zugeordnet werden können.
Die Forscher um Konstantin Khalturin und Professor Thomas Bosch von der Universität Kiel zeigen in der aktuellen Ausgabe der Online-Fachzeitschrift „PLoS Biology“, dass ein solches neues Gen, das für die Herstellung des Eiweißmoleküles Hym301 verantwortlich ist, beim Süßwasserpolypen für die Ausprägung morphologischer Unterschiede zwischen nahe verwandten Arten verantwortlich ist.
Konservierte Gene unterschiedlich aktiv
Der Löwenanteil der Gene kommt in allen Lebewesen gleichermaßen vor und gilt als stammesgeschichtlich stark konserviert. Bisher ging man davon aus, dass Tierarten sich dadurch unterscheiden, dass molekulare Schalter, die in mehr oder weniger gleicher Form in allen Tieren und auch beim Menschen anzutreffen sind, in den einzelnen Arten unterschiedlich an- oder abgeschaltet sind, und dass daher in den Arten der konservierte Anteil der Gene unterschiedlich aktiv ist.
Neue Impulse für die Evolutionsbiologie
Dieses Bild der Entstehung der Arten wird jetzt erheblich erweitert werden müssen. Die neuen Ergebnisse der Kieler Wissenschaftler zeigen, wie die Gruppe der verwaisten Gene, deren Herkunft und Funktion bislang vollkommen unverstanden waren, die Ausbildung von artspezifischen Merkmalen in der Evolution beeinflussen können. Die Beobachtungen sind auf den ersten Blick überraschend, sie könnten der Evolutionsbiologie neue Impulse geben.