Der Meeresgrund besteht zum Großteil aus Schlamm. Daher wird alles, was niet- und nagelfest ist – Riffe, Treibholz, Walknochen –, sofort von unterschiedlichsten Organismen erobert. Das kann auch schon mal ein bunter Topfreiniger aus Plastik sein, den österreichische Meeresbiologinnen am Ostpazifischen Rücken im Südpazifik versenkt haben. Sie untersuchen auf diese Weise die Neubesiedlung des Tiefseelebensraums nach einem vernichtenden Vulkanausbruch.
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Ursprünglich hatten Monika Bright und Sabine Gollner von der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien geplant, die Rolle von kleinen Organismen wie Fadenwürmer, winzige Ruderfußkrebse oder Foraminifera, die am Grunde des Meeres leben, im Nahrungsnetz entlang heißer Tiefseequellen und vulkanischer Krater am Ostpazifischen Rücken zu studieren. Dieses Projekt zur Erforschung der so genannten Meiofauna wurde aber im Januar 2006 jäh durchkreuzt: Ein heftiger, unterseeischer Vulkanausbruch löschte jegliches Leben im Untersuchungsgebiet auf einen Schlag aus.
„Stunde Null“
Im Nachhinein entpuppte sich das einschneidende Naturereignis jedoch als einmalige wissenschaftliche Gelegenheit: „Wir haben dadurch zum ersten Mal in der Geschichte der Meeresbiologie die Möglichkeit bekommen, die Besiedlung eines marinen Lebensraums von Stunde Null an zu dokumentieren“, sagt Bright: „Wir haben die Chance genutzt und unser Projekt kurzerhand umkonzipiert.“
Schrittweise Kolonisation
Seither studieren die beiden Meeresbiologinnen in einem dreijährigen Vorhaben den Kolonisierungsprozess der Meiofauna-Gemeinschaft: „Wir untersuchen, wie und in welcher Reihenfolge die Organismen ins jeweilige Habitat gelangen und wie sich die Lebensgemeinschaften im Laufe der Zeit etablieren und verändern“, erklärt Bright.
Geheimnisvolle Tiefsee
Das ist aus zweierlei Gründen spannend: Zum einen gehört die Tiefsee nach wie vor zu den am wenigsten dokumentierten Lebensräumen der Welt – die allmähliche Entwicklung der Meiofauna ist beispielsweise noch völlig unbekannt.
Zum anderen handelt es sich beim Untersuchungsgebiet um ein von extremen Lebensbedingungen gekennzeichnetes Habitat: Nur wenige, hoch spezialisierte Arten konnten sich im Laufe der Evolution an die hohen Temperatur-, Sulfid- und Sauerstoffschwankungen anpassen, die in der Nähe von Hydrothermalquellen am Meeresgrund herrschen.
Mit Schiff, U-Boot und „Küchenwaschl“
Für das Sammeln von Proben im spannenden Forschungsgebiet haben die Wissenschaftlerinnen eine ebenso ungewöhnliche und billige wie effektive Aufsammlungseinheit gewählt: Topfreiniger aus Kunststoff. Die zweckentfremdeten „Küchenwaschln“, wie Bright die bunten Plastikreiniger nennt, sollen der Meiofauna als Besiedlungsersatz dienen. Dazu werden sie markiert, mit Schnüren und Bleigewichten versehen, an genau festgelegten Koordinaten versenkt und nach einer bestimmten Zeit mit dem U-Boot wieder eingeholt.
Die ersten natürlichen Proben wurden bereits drei Monate nach dem Vulkanausbruch entnommen. Acht Monate später versenkten Bright und Gollner den ersten Satz Topfreiniger – zuerst für eine Woche, dann für einen Monat und schließlich für ein Jahr: „Nächstes Jahr – also drei Jahre nach dem Vulkanausbruch – wird die letzte Probenserie entnommen und untersucht.“
Leben im Topfreiniger
Die Untersuchung beinhaltet die Quantifizierung und Bestimmung der Fauna, die sich inzwischen auf den künstlichen Substraten angesiedelt hat. Zur Kontrolle werden die „Topfreiniger-Habitate“ zudem mit natürlichen Proben aus dem Meer wie Steinen verglichen. „Die Küchenwaschln scheinen aber unter den Meiofauna-Organismen ebenso beliebt zu sein wie jedes andere feste Material am Meeresgrund auch“, sagt Bright. Der Vergleich der Ergebnisse soll zeigen, wie sich der Besiedlungsprozess im Detail gestaltet.
(Universität Wien, 18.12.2008 – DLO)