Biologie

Pfeifender Orang-Utan verblüfft Forscher

Menschenaffen-Dame belegt unerwartete akustische Lernfähigkeit

Der Mensch hat im Laufe seiner Geschichte das Pfeifen für alles Mögliche genutzt, vom Herbeirufen eines Taxis bis zum Pfeifen einer Melodie. Jetzt haben Forscher zum ersten Mal beobachtet, dass ein Orang-Utan spontan das menschliche Pfeifen nachahmt und dieses bewusst anwendet – was lange gehegten Annahmen einer nur unbewussten Lautsteuerung bei diesen Tieren widerspricht.

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Akustisches Lernen aus eigenem Antrieb

Dass Orang-Utans und Schimpansen Bewegungen nachahmen können, ist nicht neu. Auch nicht, dass sie für ihre Arten untypische Laute erlernen können. Allerdings glaubte man bisher, dass dies nur unter gezieltem Training durch den Menschen geschähe. Jetzt aber hat ein Orang-Utan-Weibchen im Smithsonian National Zoological Park in Washington, D.C. erstmals von selbst einen ihr fremden Laut nachgeahmt – das Pfeifen eines Tierpflegers. Der Forscher Serge Wich und seine Kollegen vom Great Ape Trust of Iowa sind dieser Sache nachgegangen und haben erstaunliche Erkenntnisse gewonnen.

Das Pfeifen von Bonnie – eine für Orang-Utans absolut untypische Lautäußerung – ist offenbar definitiv nicht auf vorheriges Training zurückzuführen. Nach Ansicht von Wich deutet dieses spontane Aneignen einer neuen Technik daraufhin, dass Orang-Utans und andere Menschenaffen in ihrer Lernfähigkeit weitaus flexibler sind als zuvor angenommen. Dafür spricht auch, dass Indah, ein Orang-Weibchen, das länger mit Bonnie zusammen lebte, nach einigen Jahren ebenfalls anfing zu pfeifen. Offenbar hatte sie es von ihrer Artgenossin übernommen.

Erklärung für Vokalisations-Unterschiede zwischen Populationen

Das könnte auch Beobachtungen an wilden Orang-Utans erklären, die gleiche Tätigkeiten, wie beispielsweise das Nestbauen, von Population zu Population mit unterschiedlichen Lauten begleiten. Nach Ansicht von Wich ist es sehr unwahrscheinlich, dass nur genetische oder ökologische Faktoren diese Unterschiede erklären können. Viel wahrscheinlicher ist, dass die Tiere den jeweiligen Laut von Artgenossen nachahmen und bei der gleichen Tätigkeit verwenden. „Das ist bedeutsam, weil es uns einen Mechanismus liefert, der die dokumentierten Variationen der Töne zwischen verschiedenen Populationen wilder Orang-Utans erklärt“, so Wich.

Bonnie pfeift bewusst

Und noch eine Tatsache ist erstaunlich: Das Orang-Utan-Weibchen Bonnie gibt die neu erlernten Pfeiftöne nicht automatisch in bestimmten Situationen wieder, beispielweise um Futter als Belohnung zu erhalten, sondern anscheinend eher um des Pfeifens willen. Wenn sie gebeten wird zu pfeifen, tut sie dies ebenfalls meistens. Für die Wissenschaftler ist das ein deutliches Zeichen dafür, dass Bonnie die neuen Töne bewusst äußert. Bisher glaubte man, dass Orang-Utans keine bewusste Kontrolle über ihre Lautäußerungen haben und diese unbewusst, als Reaktion auf äußere Reize wie beispielsweise den Anblick von Futter oder einem Feind, von sich geben.

„Das widerlegt die seit langem bestehende Annahme, dass nichtmenschliche Primaten relativ feste Tonrepertoire besitzen, die sie nicht bewusst kontrollieren können“, erklärt Wich. „Die Fähigkeit, neue Töne zu lernen und diese bewusst einzusetzen sind zwei wichtige Aspekte der menschlichen Sprache und diese Erkenntnisse eröffnen uns neue Wege, bestimmte Aspekte auch der menschlichen Sprachentwicklung an unseren nächsten Verwandten zu untersuchen.“

(Great Ape Trust of Iowa, 02.01.2009 – NPO)

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