Die Luft an Bord von Linienmaschinen ist scheinbar längst nicht so sauber, wie immer angenommen wird. Dies hat das ARD-Wirtschaftsmagazin „plusminus“ gestern in seiner neuesten Ausgabe berichtet. Denn bei Stichproben wurden in den vergangenen Monaten Spuren einer als Nervengift eingestuften Chemikalie in den Flugzeugkabinen gefunden.
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In Zusammenarbeit mit der Redaktion „Kassensturz“ vom Schweizer Fernsehen ließ plusminus über 30 Abstriche in Verkehrsflugzeugen namhafter Fluggesellschaften machen. 28 Proben wiesen zum Teil sehr hohe Anteile von Trikresylphosphat, kurz TCP, auf. Dabei handelt es sich um eine ausschließlich dem Triebwerksöl beigefügte Chemikalie, aus der Gruppe der organischen Phosphate, die als Nervengift bekannt ist.
Die Stichproben wurden durch den weltweit anerkannten Toxikologen, Professor Christiaan van Netten von der Universität in British Columbia, Kanada, ausgewertet. van Netten hat unter anderem auch im Auftrag der Federal Aviation Administration (FAA) die Belastung der Kabinenluft in Flugzeugen erforscht.
Hohe Dunkelziffer?
Da diese in der Regel nicht gefiltert wird, können bei Störfällen die Verbrennungsrückstände des Öls über die Klimaanlage auch in die Kabinenluft gelangen und dort von Besatzung und Passagieren eingeatmet werden. In diesem Zusammenhang sind laut plusminus seit 1983 weltweit zahlreiche Fälle bekannt geworden, bei denen vermutet werden muss, dass Besatzungsmitglieder und Passagiere in Folge solcher Kabinenluft-Kontamination erkrankt sind.
Es wird jedoch eine weitaus höhere Dunkelziffer vermutet, weil zwischen dem Ereignis und den sofort bzw. auch noch nach einigen Wochen auftretenden Symptomen, nicht immer ein direkter Zusammenhang hergestellt werden kann. Fluggesellschaften haben Passagiere nicht immer über solche Vorfälle aufgeklärt. Seit 1999 werden die gesundheitlichen Schädigungen auch als „Aerotoxisches Syndrom“ bezeichnet. Infolge von Störfällen mit Ölrückständen in der Atemluft wird auch die Flugsicherheit gefährdet.
Ausfälle von Piloten
plusminus sind auch in Deutschland Fälle bekannt geworden, bei denen die Piloten in ihrer Handlungsfähigkeit erheblich eingeschränkt waren oder sogar ganz ausfielen. Besonders Berufspiloten und Flugbegleiter sind nach Recherchen der Redaktion einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt. Sie sind angehalten solche Vorfälle unverzüglich anzuzeigen. Doch trotz der gesetzlichen Verpflichtung, solche „Kontaminations-Ereignisse der Kabinenluft“ der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung zu melden, gehen dort laut plusminus noch längst nicht alle Meldungen ein.
Während Probleme mit kontaminierter Kabinenluft im englischsprachigen Raum bereits seit über zehn Jahren bekannt sind, ist das Phänomen hierzulande eher unbeachtet geblieben.
Erste Klagen eingereicht
plusminus hat zudem herausgefunden, dass in Deutschland erste Klagen von Flugpersonal vor den Arbeitsgerichten anhängig sind. Die Betroffenen bemängeln, sie seien in Folge der Belastung von verunreinigter Kabinenluft flugdienstuntauglich geworden und es gäbe bislang keine ausreichenden Gefährdungsanalysen seitens der Arbeitgeber. Auch existieren bisher keinerlei Sensoren an Bord, die in einem solchen Fall Besatzung und Passagiere warnen.
Auswirkungen von Trikresylphosphat noch nicht abschließend erforscht
Trikresylphosphat gehört zu der Gruppe der organischen Phosphate wie beispielsweise auch das Nervengift Sarin. Über die Auswirkungen auf den menschlichen Organismus gibt es bislang nur wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse in Bezug auf die Einnahme, beispielsweise über die Nahrung, nicht jedoch über die Inhalation in einer Druckkabine, wie im Flugzeug.
(WDR, 04.02.2009 – DLO)