In jeder Körperzelle tragen wir Gene von der Mutter und vom Vater. Bisher war unklar, ob sich diese beiden Erbmassen in den Zellen durchmischen oder säuberlich getrennt bleiben. An Maultieren gelang nun der Nachweis, dass sich bei Säugern die von den Eltern vererbten Gensätze in den Körperzellen in der Regel wohl durchmischen.
{1l}
Halb der Papa und halb die Mama: In all unseren Körperzellen finden sich zwei komplette Gensätze – einer von der Mutter und einer vom Vater vererbt. Die somit doppelt vorhandenen genetischen Anlagen bestimmen weitgehend die Vorgänge in unserem Organismus. Wann, wo und wie ein Gen aktiv ist, regulieren wiederum vor allem so genannte epigenetische Faktoren, die von außen auf das genetische Material wirken. Sie bestimmen, ob jeweils die mütterliche oder väterliche Genvariante abgelesen wird.
Chromosomenanordnung wichtig für Aktivität
Ebenfalls wichtig ist jedoch auch die dreidimensionale Anordnung der Chromosomen: Seit mehr als 100 Jahren stellen sich Forscher die Frage, ob sich das von Mutter und Vater vererbte genetische Material in den Körperzellen der Nachkommen durchmischt oder nicht. „Dieses Rätsel ist damit fast so alt wie die Entdeckung der Chromosomen selbst“, erklärt Steffen Dietzel von der Ludwig-Maximilians- Universität München (LMU). „Ebenso lange gibt es die Vermutung, dass eine Trennung vorliegt, wie man es später bei bestimmten Pflanzenhybriden tatsächlich beobachtet hat. Bei der Taufliege dagegen lagern sich die jeweils entsprechenden Chromosomen aus dem mütterlichen und väterlichen Material aneinander – was eine räumliche Trennung ausschließt.“
Bei Wirbeltieren, etwa bestimmten Mäusen, konnte nach der Verschmelzung der Keimzellen in den sehr frühen Stadien der Embryonalentwicklung zunächst eine Trennung der elterlichen Chromosomen beobachtet werden, die sich später verliert. Es gab aber Hinweise, dass bestimmte Zelltypen diesen Zustand beibehalten oder ihn in manchen Phasen ihres Lebens wiedergewinnen.
Maultiere als Versuchsobjekte
Eine Untersuchung an Körperzellen erwachsener Säugetiere scheiterte bislang allerdings an der Technik: Väterliche und mütterliche Chromosomen sind sich so ähnlich, dass sie sich normalerweise nicht unterscheiden lassen. Einem Team von LMU-Forschern unter der Leitung von PD Dr. Steffen Dietzel gelang nun in Zusammenarbeit mit einem amerikanischen Kollegen der Nachweis, dass sich bei Säugern die von den Eltern vererbten Gensätze in den Körperzellen in der Regel wohl durchmischen.
Maultiere lieferten dem Team um Dietzel das passende Material: Diese Tiere haben eine Pferdestute als Mutter und einen Esel als Vater, deren Chromosomen sich – mit Hilfe der von Dietzels Team entwickelten Methodik – unterscheiden lassen.
Durchmischung nachgewiesen
„Wir haben Blutzellen und zum Vergleich Bindegewebszellen des Maultiers untersucht“, berichtet der Biologe. „In beiden konnten wir keine Hinweise auf eine räumliche Trennung finden. Ganz im Gegenteil: Unsere Beobachtungen zeigen eine deutliche Durchmischung des elterlichen genetischen Materials. Wir können also eine Trennung der Chromosomen als generelles Phänomen ausschließen. In die gleiche Richtung zeigen auch Versuche an einem menschlichen Blutzelltyp, an dem sich Teilaspekte der
Chromosomenverteilung untersuchen lassen. Dieses Ergebnis ist wichtig in Hinsicht auf ein Verständnis der
dreidimensionalen Anordnung der Chromosomen im Zellkern und der epigenetischen Regulation der Gene.“
„Dieses aus epigenetischer Sicht interessante Ergebnis wirft aber neue Fragen auf“, berichtet Dietzel. „So weiß man etwa, dass in bestimmten Mäusezellen die genetischen Anlagen sehr wohl getrennt vorliegen. Warum dies so ist und wie dies erreicht wird, bleibt zunächst unklar.“
(Ludwig-Maximilians-Universität München, 11.02.2009 – NPO)