Klima

Brom als neuer Ozonkiller Nummer 1

Erstmals genaue Messung von Bromnitrat in der Stratosphäre

Die mit MIPAS erstmals gemessenen Konzentrationen von Bromnitrat zeigen eine deutliche Tag-Nacht-Variation. © Forschungszentrum Karlsruhe

Wissenschaftlern ist es gelungen, erstmals die Konzentration des Spurengases Bromnitrat in der Stratosphäre zu messen. Das Gas ist der wichtigste Faktor für die Zerstörung der Ozonschicht – inzwischen sogar noch wirksamer als Chlorverbindungen.

Brom ist nach Chlor die wichtigste Substanz für die durch den Menschen verursachte Ozonzerstörung in der Stratosphäre. Trotz seiner deutlich geringeren Konzentration trägt es nach Chlor den wichtigsten Anteil am katalytischen Ozonabbau durch Halogenverbindungen in der Stratosphäre. Die Emission chlorhaltiger Substanzen ist durch internationale Verträge reglementiert. Wegen der dadurch abnehmenden Chlorkonzentration wird die Rolle von Brom in der stratosphärischen Ozonchemie immer wichtiger.

Brom als effektiver Ozonkiller

Zudem hat Brom ein höheres Potenzial für den Ozonabbau als Chlor, weil es durch Lichteinfluss viel leichter aus seinem Reservoir Bromnitrat in eine aktive Form umgewandelt wird als Chlor aus seinem Reservoir Chlornitrat. In der Reservoirform sind beide Halogene nicht in der Lage, stratosphärisches Ozon abzubauen. Erst wenn sie unter dem Einfluss von Licht in ihre Oxide umgewandelt werden, stehen sie als Katalysator für den Ozonabbau zur Verfügung.

Eine anorganische Bromverbindung, das Bromoxid, wurde in der Atmosphäre schon vor 20 Jahren entdeckt. Nun haben Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) erstmals auch Bromnitrat nachgewiesen, welches das hauptsächliche Reservoirgas für Brom in der Stratosphäre darstellt.

Messung per Umweltsatellit

„Der Nachweis gelang durch das Infrarot-Spektrometer MIPAS, das auf dem europäischen Umweltsatelliten Envisat die Erde umkreist. In den hoch aufgelösten Infrarot-Spektren konnten wir den spektralen Fingerabdruck von Bromnitrat identifizieren“, erläutert Michael Höpfner vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung des KIT. „Weil die Signatur von Bromnitrat so schwach ist, mussten Spektren über einen Monat aufsummiert werden. Dieser erste Nachweis von Bromnitrat in der Atmosphäre war außerdem nur möglich durch die enge Zusammenarbeit mit Kollegen in Paris, die für uns zuvor die notwendigen Referenzdaten im Labor gemessen hatten.“

Das Atmosphärenforschungs-Instrument MIPAS (Michelson Interferometer for Passive Atmospheric Sounding) ist eines der Hauptinstrumente an Bord des europäischen Umweltsatelliten Envisat, der seit 2002 die Erde umkreist. MIPAS misst gleichzeitig Vertikalprofile der Temperatur und von mehr als 30 atmosphärischen Spurengasen. Neben Ozon und Wasserdampf gehören dazu die für die Atmosphäre wichtigen Stickoxide, die unter anderem die Ozonchemie bestimmen, oder verschiedene Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW).

Da MIPAS die von den Molekülen emittierte Infrarotstrahlung (Wärmestrahlung) misst, kann es sowohl bei Tag als auch bei Nacht Spektren aufnehmen. Die Messungen decken die Erde von Pol zu Pol ab; insbesondere können Daten im sonst schwer zugänglichen Polarwinter gewonnen werden.

Konzentrationen deuten auf noch unbekannte Bromquellen hin

Das Bromnitrat wurde im Höhenbereich zwischen 20 und 40 Kilometern registriert. Die gemessenen Konzentrationen erreichen bei Nacht Werte bis 25 pptv (25 Billionstel Teile), bei Tag liegen sie unter 10 pptv. Diese Schwankungen erklären sic aus der Chemie der Verbindung, denn Bromnitrat wird durch Sonnenlicht in Bromoxid umgewandelt und ist daher tagsüber in geringeren Konzentrationen nachweisbar.

Die mittels MIPAS gemessenen Konzentrationen von Bromnitrat entsprechen sehr gut den aufgrund von Modellrechnungen erwarteten Werten, die die Forscher aus früheren Bromoxid-Messungen abgeleitet hatten. Dadurch werden einerseits die Modelle der Stratosphärenchemie bestätigt. Andererseits kann durch die neuen Messungen der Gesamtgehalt von Brom in der Stratosphäre besser abgeschätzt werden.

Brom wird in Form langlebiger organischer Verbindungen durch natürliche und künstliche Quellen am Boden in die Atmosphäre eingebracht und nach oben transportiert. Durch die Tropopausenregion gelangt es in die Stratosphäre. De neuen Messungen legen nun allerdings nahe, dass die bekannten Bromquellen nicht ausreichen, um die stratosphärische Bromkonzentration zu erklären.

(Karlsruher Institut für Technologie, 12.02.2009 – NPO)

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