Biologie

Zu viele Bausteine verderben das Gen

Gendefekt bei Blütenpflanze liefert Schlüssel für genetische Grundlagen neurodegenerativer Krankheiten

Arabidopsis-Pflanze der Bur-0-Rasse, die bei normalen Temperaturen von 23°C gezüchtet wurde © Marco Todesco /MPI für Entwicklungsbiologie

Wissenschaftler haben bei der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana einen Gendefekt gefunden, der auch für schwere neurodegenerative Krankheiten des Menschen verantwortlich ist. Die Erbkrankheiten entstehen dadurch, dass ein bestimmter Abschnitt der DNA in vielfacher Kopie vorliegt.

Bei Arabidopsis führt dies nach Angaben der Forscher vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie dazu, dass die Pflanzen verkümmern. Beim Menschen verursacht der Gendefekt, so die „Science“-Studie, schwere Nervenkrankheiten wie Chorea Huntington, Friedreich-Ataxie oder Fragiles X-Syndrom.

Zufall hilft Forschern

Die Wissenschaftler um Detlef Weigel vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie sind durch eine Zufallsbeobachtung auf einen bislang unbekannten Gendefekt bei der Bur-0 genannten Rasse der nahezu weltweit verbreiteten Blütenpflanze Arabidopsis thaliana gestoßen: Beim Umsetzen in einen 27 Grad Celsius warmen Zuchtraum verkümmerten einige der Pflanzen plötzlich, während sie bei 23 Grad gut gewachsen waren.

Es stellte sich heraus, dass bei ihnen in dem IIL1 Gen ein Basentriplett mehr als 400-mal hintereinander vorkam. Bei Vergleichspflanzen lag diese Sequenz nur 20-mal vor. Das betroffene Gen enthält die Information für ein Protein, das für die Chloroplasten und damit das Überleben der Pflanzen wichtig ist. Durch die Triplett-Wiederholungen kann das Gen nicht korrekt abgelesen werden, was dazu führt, dass die Pflanzen klein und kümmerlich werden.

Triplett-Wiederholungen Ursache für schwere Erbkrankheiten

Dass Triplett-Wiederholungen auch die Ursache für einige schwerwiegende Erbkrankheiten beim Menschen sind, macht die Entdeckung der Tübinger Forscher besonders interessant. So erkranken beispielsweise rund fünf von 100.000 Menschen jedes Jahr an Chorea Huntington, einem bislang unheilbaren Nervenleiden, das zunächst zu Bewegungsstörungen und schließlich zum Tod führt. Etwa eines von 50.000 Neugeborenen in Mitteleuropa leidet dagegen an der Friedreich-Ataxie, ebenfalls eine neurodegenerative Erkrankung, die im Laufe des Lebens zunehmend zu Bewegungsstörungen und Demenz führt.

Folgen erhöhter Temperatur © Marco Todesco /MPI für Entwicklungsbiologie

Arabidopsis thaliana als Modellorganismus

„Mit Arabidopsis thaliana haben wir einen Modellorganismus gefunden, an dem wir die genetischen Ursachen und die Entstehung schwerer Erbkrankheiten des Menschen untersuchen können“, sagt Weigel. „Bei Arabidopsis können wir untersuchen, wie sich die Triplett- Wiederholungen über mehrere Generationen verändern. Dies ist beim Menschen wegen der langen Generationsfolge schwierig. Im Pflanzenmodell können wir nicht nur innerhalb kürzester Zeit mehrere Generationen betrachten, wir können auch genetische Untersuchungen machen, die beim Menschen unmöglich sind“, so Marco Todesco, einer der Hauptautoren der Studie.

Wiederholungen kurzer Genabschnitte häufiger als gedacht

Wiederholungen kurzer Genabschnitte treten bei vielen verschiedenen Organismen auf und haben nicht nur negative Folgen. Da die Variationen im Erbmaterial dazu führen, dass sich die Individuen sichtbar voneinander unterscheiden, gehen die Wissenschaftler davon aus, dass dieses Phänomen eine Rolle bei der Evolution der Arten spielt.

„Diese Wiederholungen können besonders leicht entstehen, aber auch wieder verschwinden. Dadurch sind sie besonders variabel und könnten zu kurzfristigen evolutionären Veränderungen beitragen“, sagte Weigel.

(idw – Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie, 17.02.2009 – DLO)

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