Raumfahrt

Forscher machen Hyperschall sichtbar

Strömungsbestimmung bei 2.250 Metern pro Sekunde

Illustration des Projekts SHEFEX (Sharp Edge Flight Experiment) beim Wiedereintritt. Mit SHEFEX hat sich das DLR zum Ziel gesetzt, neue Thermalschutzkonzepte für rückkehrende Raumfahrzeuge zu testen und gleichzeitig die Eignung eines scharfkantigen Designs für die aerodynamische Auslegung zu überprüfen. © DLR

Welchen Einfluss die extremen Temperaturen beim Wiedereintritt von Raumfahrzeugen auf deren Aerodynamik haben, ist auch nach Jahrzehnten der Raumfahrt vielfach unbekannt. Jetzt haben Strömungsforscher die komplexen Phänomene berechenbarer gemacht: Hierzu machten sie in einem Windkanal Hyperschallströmung mit einem für die Luftfahrtforschung entwickelten optischen Geschwindigkeitsfeldmessverfahren bei nie zuvor betrachteten Geschwindigkeiten sichtbar.

Vorstoß in neue Geschwindigkeitsbereiche

Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Göttingen bestimmten die Strömung an einem so genannten Keilmodell bei 2.250 Metern pro Sekunde – das entspricht der siebenfachen Schallgeschwindigkeit oder 8.100 Stundenkilometern. Vorher war die Messung von Strömungsgeschwindigkeiten im Hyperschall nur sehr eingeschränkt und mit hohem Aufwand möglich. „Wir sind damit in einen Bereich vorgestoßen, in dem wir vorher nahezu blind waren“, erklärt Klaus Hannemann vom DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik.

Erstmals könnten jetzt Phänomene wie Wirbelbildung im Hyperschall sichtbar gemacht und anhand genauer Werte untersucht werden. Zudem könne die Effizienz großer Hyperschallwindkanäle, deren Betrieb zeitaufwändig und teuer ist, deutlich gesteigert werden: „Wir bekommen mit dem Verfahren mehr Informationen aus einem Versuch“, so Hannemann. Die Experimente wurden im Hochenthalpiekanal Göttingen durchgeführt, einer der wichtigsten europäischen Großanlagen zur Erforschung des Hyperschalls und Wiedereintritts von Raumfahrzeugen.

Messverfahren auch bei hohen Geschwindigkeiten anwendbar

Die Göttinger Wissenschaftler verwendeten das berührungslose Messverfahren Particle Image Velocimetry (PIV), das für die Luftfahrtforschung zum Einsatz bei niedrigeren Geschwindigkeiten entwickelt wurde. Das Prinzip von PIV beruht auf der Beobachtung kleiner Partikel, die einem strömenden Gas zugesetzt werden.

Die Partikel werden durch einen so genannten Laserlichtschnitt kurzzeitig angestrahlt, und das von ihnen reflektierte Licht wird zu zwei kurz aufeinander folgenden Zeitpunkten mit einer Kamera aufgenommen. Per Computer werden die Teilbilder anschließend ausgewertet, um die Partikelverschiebung zwischen den beiden Belichtungen zu bestimmen. Aus dem zurückgelegten Weg der Partikel und der verstrichenen Zeit lässt sich die momentane Geschwindigkeit an vielen Stellen der Strömung bestimmen.

Versuchsanordnung lässt messbare Partikel entstehen

Für Hochgeschwindigkeitsströmungen war die Messtechnik PIV bislang nicht geeignet: Der Eintrag von Partikeln bereitet bei hohen Geschwindigkeiten große Probleme. Die Forscher nutzten bei der Lösung des Problems das Arbeitsprinzip des Göttinger Hochenthalpiekanals aus, in dem die Tests durchgeführt wurden: Für die Erzeugung sehr hoher Geschwindigkeiten sind extrem hohe Temperaturen von mehreren tausend Grad notwendig, bei denen ganz von allein winzige Partikel mit einer Größe von ungefähr einem Mikrometer entstehen.

„Die natürlich vorhandenen Partikel liegen in einer für die Messung geeigneten Form, Dichte und Größe vor“, sagt Andreas Schröder, der die Tests zusammen mit Jan Martinez Schramm durchführte. Innerhalb des millionsten Teiles einer Sekunde wurde die Geschwindigkeit im Strömungsfeld an mehr als 6.000 Orten gleichzeitig gemessen.

Computersimulationen bestätigten die Testergebnisse. Solche numerischen Verfahren, die beim Entwurf von Raumfahrzeugen eingesetzt werden, können künftig mit Hilfe der PIV-Messtechnik überprüft werden. Hierzu wird die Messmethode demnächst bei noch höheren Geschwindigkeiten getestet werden. Dann, so Hannemann, „lassen sich auch die Hochtemperatureffekte, die beim Wiedereintritt an Raumfahrzeugen auftreten, besser verstehen“.

(DLR, 27.02.2009 – NPO)

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