Bei erhöhtem Konkurrenzkampf um seltene Nistplätze investieren Blaumeisenfrauen mehr in ihre Brut. Sie verbringen mehr Zeit mit der Jungenfütterung und produzieren mehr männliche Nachkommen in ihren Gelegen. Weibchen, die keine Nistplätze finden, legen ihre Eier – einem Kuckuck gleich – zudem in fremde Nester. Dies haben jetzt Verhaltensforscher in einer Langzeitstudie herausgefunden, über die sie in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift „Animal Behavior“ berichten.
Was geschieht, wenn die Nachfrage nach einer Nisthöhle das Angebot der verfügbaren Brutplätze übersteigt? Das Prinzip von Angebot und Nachfrage stellt sich auch in der Natur, und die Folgen einer erhöhten Konkurrenzsituation um begrenzte Nistmöglichkeiten können weitreichend sein. Welche Individuen setzen sich durch und was geschieht mit den erfolglosen Mitkonkurrenten?
Kampf um die Nistplätze
Vögel, die in Nesthöhlen brüten, haben es in unseren stark bewirtschafteten Wäldern besonders schwer, müssen sie doch eine Höhle entdecken, die für ihre Brut geeignet scheint. Meist sind diese in abgestorbenen Bäumen oder ähnlichen Strukturen zu finden. Ist man nicht gerade ein Specht, der sich seine Höhle selbst zurechtzimmern kann, gestaltet sich eine solche Suche oftmals schwierig.
Zum Glück gibt es künstliche Nistkästen, die beispielsweise von verschiedenen Meisen-Arten gerne angenommen werden. Genau diesen Umstand haben sich die Forscher um Alain Jacot, Mihai Valcu and Bart Kempenaers vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen zu Nutze gemacht und in einem umgrenzten Gebiet experimentell die Anzahl der möglichen Brutplätze manipuliert.
Experimente im Wienerwald
Die Verhaltensökologen untersuchten eine beringte Blaumeisen-Population im Wienerwald in Österreich. Dort identifizierten sie 78 Brutpaare und teilten das Areal in Kontrollgebiete und experimentelle Gebiete ein, in welchen sie die Anzahl der ursprünglich vorhandenen Nistkästen halbierten. In diesen Gebieten war folglich der Konkurrenzkampf um die verbleibenden Kästen stärker, und man erwartete, dass sich dominante Individuen oder Paare durchsetzen würden.
Als die Paare nun die Kästen bezogen, zeigten sich deutliche Unterschiede im Fortpflanzungsverhalten: Einige erfolglose Weibchen legten – einem Kuckuck gleich – ihre Eier in fremde Blaumeisenester. Ein solches Verhalten konnte überhaupt erst zum zweiten Mal bei Blaumeisen nachgewiesen werden. Hingegen investierten erfolgreiche Weibchen in experimentellen Gebieten relativ mehr in ihre Brut als die Weibchen in den Kontrollgebieten. Und während die Männchen ihr Fütterungsverhalten nicht geändert hatten, versorgten die Weibchen ihre Nachkommen mit deutlich mehr Futter.
Mehr männliche Nachkommen
Darüber hinaus zeigte sich auch ein Effekt im Geschlechterverhältnis: „Normalerweise erwarten wir in den Nestern ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Nestlingen“, sagt Jacot. „Doch in den Gebieten, in denen wir die Zahl der Nistkästen reduziert hatten, gab es mehr männliche Nachkommen, und zwar sowohl im Vergleich zur Kontrollregion als auch im Vergleich zu unseren Daten aus den vergangenen sechs Jahren.“
Die Studie der Max-Planck-Forscher zeigt somit einen direkten Zusammenhang zwischen der erhöhten Konkurrenzsituation und dem Fortpflanzungsverhalten weiblicher Blaumeisen. „Diese Verhaltensweisen können durch verschiedene Mechanismen erklärt werden“, erläutert Kempenaers.
Größere Investitionen in die Brut
„Entweder die Weibchen, die sich durchgesetzt haben, sind selber von sehr hoher Qualität und können daher auch mehr in die Brut investieren. Oder die erhöhte Investition kann durch eine flexible Verhaltensänderung der Weibchen erklärt werden. Unter der Annahme, dass die Weibchen mit einem dominanten und somit hochattraktiven Männchen verpaart sind, sie gleichzeitig aber eine unsichere Zukunft mit geringen Nistmöglichkeiten erwartet, sollten sie vermehrt in die jetzige Brut investieren. Die Unterscheidung dieser Mechanismen ist nicht einfach und nur sorgfältige Langzeitstudien können Einblick in die Dynamik solcher Fortpflanzungsstrategien geben“, so der Wissenschaftler weiter.
(idw – MPG, 06.03.2009 – DLO)