Medizin

Dem „guten Prion“ auf der Spur

Forscher decken Rolle der natürlichen Prion-Proteine auf

Auch ohne BSE und Creutzfeldt-Jakob Krankheit besitzen wir alle Prion-Proteine im Körper – allerdings natürliche, nicht krankhaft veränderte. Aber wozu sind sie gut? Genau das haben jetzt Wissenschaftler durch Versuche an Zebrafischen herausgefunden. Das Prion-Protein wirkt während der embryonalen Entwicklung als wichtige „Telefonleitung“ zwischen den Zellen.

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Wissenschaft ist manchmal Detektivarbeit: Forscher sammeln Indizien, verfolgen Spuren, verdächtigen. Frustriert enden sie in Sackgassen und beginnen von vorn an neuen Spuren, stetig auf den baldigen Durchbruch hoffend. Dabei ist der Täter bekannt. Seit über zwanzig Jahren kennen Wissenschaftler nun schon den körpereigenen Baustein im Gehirn, der, wenn er sich verändert, tödliche Krankheiten auslöst, wie zum Beispiel die Creutzfeldt-Jakob Krankheit (CJK) im Menschen oder Bovine Spongiforme Enzephalopathie (BSE) in Rindern.

Was genau löst die Erkrankungen aus?

Diese neurodegenerativen Krankheiten, werden weder durch Viren noch Bakterien verursacht, sondern durch infektiöse Partikel, so genannte Prionen, die vollständig aus abnormalen Prion-Proteinen aufgebaut sind. Interessanterweise ist das natürliche PrP völlig harmlos und kommt, vom Fisch bis zum Mensch, in den meisten Organismen vor. Erst die abnormale Veränderung seiner Struktur verwandelt es in seinen lebensgefährlichen Cousin. Die veränderten Prionen lagern sich im Gehirn zu äußerst stabilen Aggregaten zusammen und können gesunde PrPs in einer Kettenreaktion anstecken und ebenfalls krankhaft verändern.

Dabei war die natürliche Funktion des gesunden PrP im Körper lange Zeit ein Rätsel. Bisherige Versuche an genetisch veränderten Mäusen scheiterten, da die Tiere, die weder gesundes noch entartetes PrP besaßen, völlig gesund erschienen. Eine Sackgasse? Keineswegs. Die Wissenschaftler aus Konstanz konnten nun einen ersten Etappensieg erringen, auf dessen Suche sich Prionen-Experten schon lange Zeit befanden. Erstmalig ist es gelungen zu zeigen, dass der Mangel an PrP eindeutige physiologische Veränderungen in einem lebenden Organismus hervorrufen kann.

Natürliches Prion-Protein unverzichtbar

Die Biologen verwendeten dafür Zebrafisch-Eier und injizierten diesen Morpholinos, DNA-ähnliche Moleküle, die verhindern, dass normales PrP gebildet wird. In diesen so genannten „knock-down“-Experimenten konnten sich die Fisch-Embryonen nicht optimal entwickeln und waren damit nicht überlebensfähig. „Eine abnormale Funktion des PrP ist wahrscheinlich einer der Gründe für den neuronalen Abbau.“ erklärt der Biologe Edward Málaga-Trillo, der Leiter der Studie.

Dies war der erstmalige Beweis dafür, dass dem gesunden PrP eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des lebenden Organismus zukommt, und setzte den Grundstein für weitere Experimente, in denen die genaue Aufgabe des PrP ermittelt werden sollte. „Danach konnten wir nachweisen, dass PrP als eine Art Klebstoff zwischen den Zellen fungiert, der an der Ausbildung und am Erhalt von Zell-Zell-Kontakten beteiligt ist,“ erklärt der Co-Autor Gonzalo Solis, Mitglied des Konstanzer Forscherteams am Lehrstuhl von Professor Claudia Stürmer.

Gestörte Signal-Leitung

Die Biologen stellten fest, dass bestimmte Proteine, die normalerweise an Zell-Zell-Kontakten zu finden sind, ohne die Hilfe von PrP ihre zellulären Einsatzorte nicht erreichen konnten. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass das natürliche PrP hilft, Signale zu übermitteln, mit denen die Zellen kommunizieren, um weitere Schritte wie den Zusammenhalt oder kontrollierte Bewegungen miteinander abzustimmen“, so Málaga-Trillo.

Ist diese Telefonleitung gestört, hat es negative Auswirkungen auf die Entwicklung und die Funktion von Geweben, wie zum Beispiel des Nervensystems, aber auch auf den gesamten restlichen Körper. Die Erkenntnisse eröffnen erstmalig Einblick in die molekulare Funktion von PrP und liefern so Indizien für den Ablauf von Prionen-bedingten Krankheiten.

Zebrafisch als vielversprechendes Modell

Dass sich die Forscher ausgerechnet Fische als Versuchsmodell ausgesucht haben, ist ein weiterer neuer Aspekt der Studie und unterscheidet sich von dem weit verbreiteten Gebrauch von Säugetieren in der Prionenforschung. Die Wissenschaftler denken, dass eine intensivere Forschung am Zebrafisch dabei helfen wird, die genaue Rolle von PrP im Gehirn zu entschlüsseln und damit weitere Hinweise auf den Ursprung von neurodegenerativen Krankheiten zu erlangen. Außerdem stellt sich die spannende Frage, ob Fische, die mit Säugetier-Prionen infiziert wurden, neurologische Schädigungen ausbilden. Sollte dies der Fall sein, könnten Zebrafische als Modellorganismus bei Prionen-bedingten Krankheiten eingesetzt werden, zum Beispiel für Medikamentenstudien.

Natürlich bedeuten die Ergebnisse von Málaga-Trillo, Solis und Kollegen nicht, dass nun eine plötzliche Heilmethode gegen BSE und CJK bestünde. Allerdings ist es dem Team aus Konstanz gelungen, erste Steine eines Mosaiks zusammenzusetzen, welches unser Bild von Prionen-bedingten Krankheiten erweitern wird und an dessen Ende die Hoffnung auf deren Heilung steht.

(Universität Konstanz, 11.03.2009 – NPO)

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