Bildung

Amoklauf kündigt sich meist an

Vergleichsstudie hat deutsche Amokläufe untersucht

Wie lassen sich Amokläufe verhindern? © SXC

Ein Amoklauf kommt nicht aus heiterem Himmel, sondern kündigt sich im Vorfeld sehr wohl durch Risikomerkmale im Verhalten und in der Kommunikation der Täter an. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Vergleichsstudie zu Amokläufen und schweren Gewalttaten an Schulen. Sie ergab auch, dass Nachahmungstaten nicht auszuschließen sind.

Die Studie wurde von Jens Hoffmann und Karoline Roshdi von der Arbeitsstelle für Forensische Psychologie der Technischen Universität Darmstadt in Zusammenarbeit mit Frank Ropertz vom Institut für Gewaltprävention und angewandte Kriminologie Berlin durchgeführt. Dabei werteten die Psychologen polizeiliche Ermittlungsakten und Gerichtsurteile von allen sieben bekannten Taten in Deutschland der Jahre 1999 bis 2006 aus. Der Amoklauf von Winnenden konnte natürlich noch nicht berücksichtigt werden.

Nachahmungseffekt auch nach Winnenden nicht auszuschließen

Bei vier der Fälle war kurz vor der Tat eine ähnliche Gewalttat in den Medien publiziert worden. „Es ist deshalb davon auszugehen, dass nach Amokläufen wie in Winnenden ein erhöhtes Risiko für weitere Taten dieser Art besteht“, so Jens Hoffmann. Vier der sieben Täter waren aktuell Schüler der betroffenen Schule, drei waren Ehemalige. Insgesamt wurden 21 Menschen von den Tätern getötet und 40 Personen verletzt. Vier der Täter begingen direkt im Anschluss an die Tat Suizid. Die Täter waren zwischen 14 und 22 Jahre alt. Alle waren männlich und hatten die deutsche Staatsbürgerschaft. Alle bis auf einen lebten im Elternhaus, die Familien entstammten weitgehend der Mittelschicht.

Alle Täter zeigten Interesse an gewalthaltigen Mediendarstellungen. Bei vier von ihnen konnte sogar eindeutig ein konkretes mediales Vorbild für ihre Tat bestimmt werden, entweder eine Filmfigur oder ein realer Amokläufer. Bei vier der Täter konnte ein übermäßig starkes Interesse an Videospielen

festgestellt werden, beispielsweise indem große Teile der Freizeit mit solchen Spielen verbracht wurden.

Soziale Brüche und Verlusterfahrungen im Vorfeld

„Als Risikoindikatoren fanden wir in der Mehrzahl etwa Suizid-Äußerungen, oder die Jugendlichen erstellten Todeslisten“, erläutert Jens Hoffmann, der Leiter der Studie. „Alle Täter kündigten an, eine Waffe mit in die Schule zu bringen oder zeigten diese vorher sogar anderen Schülern. Ebenso sprachen nahezu alle Jugendlichen über ihre Racheabsicht oder gaben sogar bekannt, einen Amoklauf begehen zu wollen.“

Bei allen Tätern waren im Vorfeld der Gewalttat Kränkungen, soziale Brüche oder Verlusterfahrungen zu verzeichnen. Fast alle Jugendlichen reagierten sehr empfindlich auf diese Erfahrungen. Zudem waren in allen Fällen schulische Konflikte erkennbar. Etwas mehr als die Hälfte der jugendlichen Täter wurde von ihrem Umfeld als Einzelgänger wahrgenommen. Im Vorfeld der Tat isolierte sich die Mehrzahl der Täter zunehmend. Dennoch wiesen die meisten Jugendlichen Freizeitinteressen auf und waren beispielsweise in Vereinen. Nur etwas mehr als ein Viertel der Jugendlichen war vorher polizeilich auffällig gewesen.

Amoktat als Endpunkt einer Entwicklung

Zielgerichtete Gewalttaten und Amok an Schulen lassen sich prinzipiell bereits im Vorfeld erkennen, ist sich Jens Hoffmann deshalb sicher. Angeregt von Forschungen und Risikomodellen aus den USA hatte Hoffmann bereits 2006 einen Ansatz entwickelt, derartige Risikoentwicklungen in einem frühen

Stadium zu erkennen und mit einer Krisenintervention deeskalierend tätig zu werden.

„Diese schrecklichen Taten junger Menschen stellen den Endpunkt eines Weges zur Gewalt dar, der immer von Warnsignalen begleitet ist und dessen einzelne Schritte in sich logisch sind“, erläutert Jens Hoffmann. „Denn zielgerichtete Gewalttaten und Amokläufe sind aus Sicht des Täters ein letzter Ausweg aus einer Krise, für die er keine anderen Lösungsmöglichkeiten mehr hat.“

(Universität Darmstadt, 13.03.2009 – NPO)

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