Neurobiologie

Gehirn erkennt Musikinstrumente automatisch

Größendifferenzen werden registriert noch bevor tonale Unterschiede ankommen

Geige und Magnetenzephalograph: Der passionierte Hobby-Geiger und Psychologe Martin Andermann verbindet Hobby und Wissenschaft. © Universitätsklinikum Heidelberg

Ein Cello ist größer als eine Geige. Das erkennt unser Gehirn, noch bevor wir den wahrgenommenen Ton bewusst einem der beiden Instrumente zugeordnet haben. Vor allem musikalische Menschen nehmen diesen Unterschied wahr. Dies hat ein Nachwuchswissenschaftler jetzt in einer neuen Studie herausgefunden.

Klänge enthalten Informationen über ihre Quelle, die das Gehirn automatisch auswertet. Schon gesprochene Vokale reichen aus, um dem Zuhörer eine ungefähre Vorstellung von der Größe des Sprechers zu vermitteln und ihn verschiedene Sprecher nach ihrer Größe ordnen zu lassen.

Ob dies auch bei der Unterscheidung von Instrumenten funktioniert, untersuchte Martin Andermann von der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg in seiner Diplomarbeit mit Hilfe der Magnetencephalographie (MEG). Sie misst geringe Magnetfelder, die durch aktive Nervenzellen in der Großhirnrinde erzeugt werden und erfasst die Aktivität von Hirnarealen mit hoher Zeitauflösung. Für die Versuche wählte Andermann Violine und Violoncello aus, die sich in Klangfarbe und Tongebung ähneln.

Je musikalischer der Mensch, desto stärker reagiert sein Gehirn auf Größenunterschiede

Das MEG zeigte: Dieselbe Tonreihe löste jeweils eine andere Reaktion in bestimmten Hirnregionen aus, nur 120 Millisekunden nach Anspielen des ersten Tons.

„Wir gehen davon aus, dass bei dieser schnellen Reaktion die bewusste Beurteilung der Größe durch den Zuhörer noch keinen Einfluss nehmen kann. Das Gehirn erkennt ganz automatisch, ob sich die Größe des Instruments ändert“, so Andermann. Wie stark die Reaktion des Gehirns ist, hängt allerdings von zwei Faktoren ab: Bei musikalischen Versuchspersonen und bei Probanden, die in einem komplexen Ton eher die Obertöne als den Grundton wahrnahmen, fiel die Reaktion des Gehirns signifikant stärker aus. „Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass unser Gehirn jedem harmonisch komplexen Ton Informationen über die Größe der Quelle entnehmen kann, nicht nur bei Sprache.“

Hörverarbeitung im Gehirn

Für seine Diplomarbeit, die im Rahmen einer Kooperation mit dem Psychologischen Institut der Universität entstanden ist, wurde Andermann mit dem Franz Emanuel Weinert-Gedächtnispreis 2008 des Psychologischen Instituts der Universität Heidelberg ausgezeichnet. Ziel der Zusammenarbeit zwischen Neurologen und Psychologen ist es, subjektive Sinneseindrücke und messbare Nervenzellaktivität zu verknüpfen, um die komplexen Vorgänge bei der Reizverarbeitung im Gehirn besser zu verstehen.

Dem Thema „Hörverarbeitung im Gehirn“ bleibt der Psychologe auch bei seiner Promotion treu: In einem interdisziplinären Projekt von Neurologischer Universitätsklinik und der Arbeitsgruppe Klinische und Experimentelle Audiologie an der Universitäts-HNO-Klinik untersucht er, wie Menschen mit Cochlea-Implantaten Töne im Störschall wahrnehmen.

(idw – Universitätsklinikum Heidelberg, 19.03.2009 – DLO)

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