Mathematik

Gleiche Regeln für Reflexe in der Kaffeetasse und Linsen im Kosmos

Forscher entdecken mathematisches Prinzip, das Gravitationslinsen-Phänomene erklärt

Gravitationslinse: Zu erkennen ist die Verzerrung von Licht, das aus weiter entfernt liegenden Galaxien stammt. Die Galaxien erscheinen abgeflacht. © NASA

Was hat das Spiel von Licht und Schatten auf der Oberfläche ihres Morgenkaffees mit entfernten Galaxien und der Schwerkraft zu tun? Vielleicht mehr als Sie denken. Denn amerikanische Forscher stellen in der Fachzeitschrift „Mathematical Physics“ ein neu entdecktes universelles Prinzip vor, dass beides vereint und möglicherweise dazu beitragen könnte, Dunkle Materie im Kosmos zukünftig besser identifizieren zu können.

Lichtstrahlen werden von gekrümmten Oberflächen wie dem Inneren einer Kaffeetasse in einem gekrümmten, Blatt-ähnlichen Muster reflektiert. Im Zentrum konzentriert es sich dabei auf einem Punkt und ist am hellsten an den Rändern, der so genannten Brennfläche. „Das geschieht häufig, weil sich die Lichtstrahlen in den Kurven sammeln“, erklärt Arlie Petters, Professor für Mathematik und Physik an der Duke Universität. Im Alltag begegnen wir den Brennflächen fast überall dort, wo Wasser im Spiel ist wie beispielsweise in den Lichtreflexen im Schwimmbad oder entlang eines Bootsrumpfes. Schon Leonardo da Vinci kannte und zeichnete solche Brennflächen im frühen 16. Jahrhundert.

Brennflächen auch im Kosmos

Solche Brennflächen tauchen jedoch auch bei kosmischen Phänomenen auf, beispielsweise bei Gravitationslinsen. Diese entstehen, wenn ein sehr massereiches Objekt vor entfernten Sternen vorüberzieht. Die Schwerkraft des Objekts ist dann so stark, dass es selbst das Licht dieser Sterne beugt und verzerrt. Ähnlich wie bei den Brennflächen auf der Erde erscheinen auch dabei einige Bereiche des verzerrten Abbilds heller, teilweise entstehen dabei auch mehrere vergrößerte Kopien des ursprünglichen Hintergrundsterns.

Folgt die Helligkeit der Sternen-Abbilder einer Regel?

Petters und sein Mitarbeiter Amir Aazami hatten schon zuvor bei Analysen der Daten von Teleskopen festgestellt, dass in Fällen, in denen die Lichtquelle innerhalb eines Brennflächenbogens liegt, zwei ungewöhnlich nah beieinander liegende Kopien gleicher Helligkeit entstehen. Da diese „Klone“ gleich hell sind, ergibt die Subtraktion der einen von der anderen Leuchtkraft genau Null. Aber was passiert in anderen Fällen? Welcher Regel folgen die Projektionen? Um das herauszufinden, führten Aazami weitere Auswertungen von astronomischen Daten durch.

Die „Null“ war der Schlüssel

Aazami testete gerade einen Spezialfall des Brennflächentheorems mit dem kryptischen Namen „ellyptisch umbilical“ mithilfe eines Computerprogramms aus, als er ein Muster bemerkte: „Es ergab wieder und wieder Null“, erklärt der Forscher. Egal welches Szenario er versuchte. „Also dachte ich: ‚Das muss ein Programmfehler sein’. Und begann wieder von neuem und immer wieder erhielt ich Null. Und dann kam der Moment wo es plötzlich einen Sinn ergab. Das war der ‚Aha!’-Moment.“

Als der Wissenschaftler das seinem Professor erzählte, erkannte dieser, dass sein Doktorand auf ein universelles mathematisches Prinzip gestoßen war, das sogar die scheinbar chaotischen Lichtbeugungen der Gravitationslinsen beschreibt. „Es ist erstaunlich, dass das, was wir in einer Kaffeetasse sehen können, sich zu einem mathematischen Theorem entwickelt, dass auch Phänomene im Kosmos beschreibt“, so Aazami.

Universelles Prinzip sorgt für Helligkeitsausgleich

Wenn beispielsweise eine solche Linse ein vierfaches Abbild eines Sterns mit jeweils unterschiedlichen Helligkeiten erzeugt, dann entspricht die relative Lichtschwäche der einen der relativ erhöhten Helligkeit der anderen, so dass sie sich gegenseitig auslöschen. „Das ist geradezu wunderbar, dass sie sich ausgleichen“, erklärt Petters. „Das betrifft sehr komplexe Mathematik.“

Für die einfachen Gravitationslinsen-Beugungen haben die Forscher ihr neues Theorem bereit belegt, jetzt warten sie darauf, dass das neue „Large Synoptic Survey Telescope (LSST)“, das zurzeit in Chile gebaut wird, genauere Daten auch von den komplexeren Brennflächen-Phänomenen höherer Ordnung liefert. „Wir sind sehr zuversichtlich, dass diese universellen Konstanten sich auch in den Daten des LSST zeigen werden“, so Petters.

Dunkle Materie wird als Theorembruch sichtbar

Und auch bei der Erforschung der Dunklen Materie könnte das neue Theorem helfen. „Wenn bei den Brennflächen höherer Ordnung zwei dicht beieinander stehende Abbilder unterschiedlicher Helligkeit auftreten, dann ist das Theorem gebrochen“, erklärt Petters. „Der Grund wäre dann eine Substruktur in der Galaxie.“ Diese könnte beispielsweise Dunkle Materie sein, die eines der Abbilder beeinflusst und in seiner Vergrößerung oder Helligkeit verändert.

(Duke University, 16.04.2009 – NPO)

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