Zoologie

Kranke Bienen verirren sich hoffnungslos

Arbeiterinnen können sich schlechter orientieren

Kranke Bienen „verfliegen“ sich und kehren häufig nicht mehr zu ihrem Stock zurück. Sie schützen dadurch ihr Volk vor einer Ansteckung. Dies berichten jetzt Neurobiologen in der aktuellen Ausgabe von „Forschung Frankfurt“. Grund für das ungewöhnliche Verhalten: Die „angeschlagenen“ Tiere verlieren die Orientierung.

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„Gesunde Bienen haben ein phänomenales Gedächtnis“, erklärt Professor Bernd Grünewald von der Universität Frankfurt am Main, der seit Jahren das komplexe Bienengehirn erforscht: „Sie können sich in einem Radius von fünf Kilometern um ihren Stock perfekt orientieren“. So lernen Bienen den Standort ihres Nestes und die Position einer Futterquelle. Sie merken sich Form, Farbe, Duft und Textur von Blüten und wie sie an den Nektar heran kommen. „Das ließ uns vermuten, dass Infektionen bei kranken Arbeiterinnen buchstäblich die Nerven angreifen“, erklärt sein Kollege Stefan Fuchs.

Gefährliches Zusammenleben auf engstem Raum

Das enge Zusammenleben von mehreren Zehntausenden Bienen bietet ideale Angriffsmöglichkeiten für Krankheitserreger und Parasiten. So können Bienenparasiten, wie zum Beispiel die Varroamilbe, immer wieder ganze Bienenvölker vernichten. Bienen besitzen zwar ein Immunsystem, aber das ist nicht so ausgeklügelt wie das des Menschen. Zu ihrem Schutz desinfizieren Bienen ihr Nest mit Propolis, einem von Knospen gesammelten Kittharz.

Kranke Arbeiterinnen „verfliegen“ sich

Einen weiteren Abwehrmechanismus entdeckten nun die Wissenschaftler des Frankfurter Instituts für Bienenkunde und der Polytechnischen Gesellschaft. Dass kranke Arbeiterinnen sich „verfliegen“, bemerkten die Forscher erstmals, als sie das Sammelverhalten von Bienen mit Varroa-Befall untersuchten. Die ursprünglich in Asien beheimatete Milbe hat sich über die letzten Jahrzehnte weltweit verbreitet und bildet die derzeit größte Gefahr für die Bienenvölker. Unbehandelt richtet sie ein befallenes Volk rasch zugrunde.

Beim Vergleich des Varroa-Befalles von ausfliegenden und zurückkehrenden Sammlerinnen stellten die Forscher fest, dass bei den Rückkehrern nur etwa halb so viele befallene Bienen waren wie bei den ausfliegenden. Dieses unerwartete Ergebnis lässt sich nicht durch den natürlichen Tod der Sammlerinnen erklären. Vielmehr weist es auf einen spezifischen Verhaltensmechanismus hin, durch den erhebliche Mengen von Parasiten aus dem Volk entfernt werden können.

Bienenvolk entgeht dem sicheren Tod

Ähnliche Beeinträchtigungen in der kognitiven Leistung der Bienen traten auch auf, wenn sie mit einer Darmerkrankung, der Nosemose, infiziert waren. Auch sie kehrten häufig nicht von ihren Sammelflügen zurück. „Dieses adaptive suizidale Verhalten könnte, weil es die Überlebenschancen des Bienenvolks erhöht, während der Evolution durch die natürliche Selektion begünstigt worden sein“, so Fuchs, „selbst wenn das Bienenvolk dadurch einige Tausend Arbeiterinnen verliert, entgeht es dem ansonsten sicheren Tod.“

Wirkung von Pestiziden untersucht

In einem weiteren Schritt dehnten die Wissenschaftler ihre Untersuchungen auf die Wirkung von Pestiziden aus. Sie fütterten die Bienen mit einer geringen, aber nicht tödlichen Dosis Imidacloprid und überwachten ihr Sammelverhalten anschließend über mehrere Tage. Um den Tagesablauf einzelner Bienen studieren zu können, klebten die Forscher ihnen einen winzigen Chip (Transponder) auf den Rücken. Er sendet, ähnlich wie der Strichcode auf Waren an der Kasse, die Bienendaten an ein Lesegerät (Scanner) am Flugloch. Ein Computer registriert, wann die Biene den Stock verlässt und wieder zurückkehrt.

Das neonicotinoide Insektizid Imidacloprid, das in der Vergangenheit immer wieder in Verdacht geraten war, auch bei geringen Dosierungen Bienenschäden hervorzurufen, bewirkte bei den behandelten Bienen, dass sie einige Stunden nach der Applikation seltener ausflogen und seltener am Fütterer erscheinen. Zudem waren sie auf ihren Sammelflügen deutlich länger unterwegs.

Der Effekt hielt allerdings nur knapp drei Stunden an. In den nächsten Tagen waren keine bleibenden Auswirkungen mehr zu erkennen. Auch lagen die verwendeten Dosierungen mit etwa 30 Mikrogramm Wirkstoff pro Kilogramm Körpergewicht erheblich über der zu erwartenden Exposition im Feld.

Bienen seltener am Fütterer

Ähnliche Effekte fanden die Forscher auch bei dem zweiten getesteten Wirkstoff, dem Organophosphat Coumaphos. Dieses Mittel wird teilweise zur Bekämpfung der Varroa-Milbe eingesetzt. Für einige Tage erschienen die Bienen seltener am Fütterer. Auf die Dauer der Flüge wirkte sich die Behandlung nur undeutlich aus. Ähnlich wie beim Imidacloprid traten die Effekte allerdings erst bei höheren Dosen auf, als sie in Bienenvölkern bei einer Behandlung zu erwarten sind.

(idw – Universität Frankfurt am Main, 17.04.2009 – DLO)

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