Geowissen

Klimawandel in der Arktis nicht mehr zu übersehen

Erstes Fazit der Polar-Expedition TRANSDRIFT XV

Nach mehreren Tagen im Eis birgt das TRANSDRIFT-Team eine Messstation. Dabei ist viel Muskelkraft gefragt. © Leibniz-Institut für Meereswissenschaften

Das arktische Meer vor Zentralsibirien war das Ziel einer deutsch-russischen Polar-Expedition, die nun neue Daten über klimabedingte Veränderungen im Nordmeer gesammelt hat. Schon die ersten Auswertungen zeigen, dass der Klimawandel sowohl in der Eisbedeckung als auch in der Meeresbiologie deutliche Spuren hinterlässt.

Orkanartige Stürme, randalierende Eisbären und Eisschollen, die mit wertvollen Messgeräten aufs Meer abtrieben – die Natur hat es den 18 Forschern der Arktisexpedition TRANSDRIFT XV wahrlich nicht leicht gemacht. Unter der Leitung von Heidemarie Kassens vom Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) untersuchten die Wissenschaftler aus Deutschland und Russland sechs Wochen lang Klimasignale im Nordpolarmeer. Trotz aller Schwierigkeiten sammelte das Team wertvolle Daten. Schon jetzt ist klar: Die Veränderungen in diesem für das Weltklima wichtigen Gebiet sind deutlich.

Reise zu arktischen Freiwasserflächen

Ziel der Expedition TRANSDRIFT XV waren die so genannten Polynjas der zentralsibirischen Laptev-See. Polynjas sind freie Wasserflächen, die auch im arktischen Winter zwischen dem Festeis der Küstenregion und dem Packeis des Nordpolarmeeres offen bleiben. Sie sind von zentraler Bedeutung für die Schifffahrt, aber auch für den Energiehaushalt und die Produktion von neuem Meereis – und damit für das Klimageschehen weltweit.

Operationsbasis für die Expedition war die Hafenstadt Tiksi am Lena- Delta. In dem 5.000-Einwohner-Ort lebten und arbeiteten die Teilnehmer in Einrichtungen des Lena-Delta-Reservates. Zwei Hubschrauber der russischen Armee transportierten Wissenschaftler und Material von dort zum eigentlichen Untersuchungsgebiet. Auf dem Festeis der Laptev-See angekommen, errichteten die Forscher mehrere provisorischen Camps, von denen aus sie meteorologische, ozeanographische, biologische, und meereschemische Untersuchungen durchführten.

Klimabedingte Veränderungen bereits in ersten Ergebnissen sichtbar

„Insgesamt war die Expedition ein voller Erfolg“, zieht Kassens nach der Rückkehr eine erste Bilanz. Die Auswertung aller gewonnenen Daten dauere zwar noch an, aber schon jetzt sei klar, dass das Polynja-System viel sensibler auf Umweltveränderungen reagiere als bisher angenommen. „Schon kleine Schwankungen der Wetterbedingungen beeinflussen die Eisproduktion für die Arktis. In diesem Winter ist dort beispielsweise sehr wenig Eis entstanden“.

Auch die biologischen Untersuchungen deuten auf Veränderungen in der Laptev-See hin. „Immer mehr Planktonarten aus dem Atlantik verdrängen die arktische Arten“, erklärt Kassens. Und ein Phänomen konnten die Forscher am eigenen Leibe erfahren: „Der Frühlingsanfang lag mindestens zwei Wochen früher als bei bisherigen Expeditionen in der Region“. Statt in frostig- klarem Wetter zu arbeiten mussten die Forscher daher häufig mit Stürmen zurechtkommen, was die Untersuchungen teilweise sehr erschwerte.

Unterstützung erhielt das Team in den letzten zwei Wochen von einem absoluten Arktis-Neuling. Uwe Döring, hauptberuflich Minister für Justiz, Arbeit und Europa des Landes Schleswig-Holstein, hatte sich den Polarforschern in seinem Frühjahrsurlaub als freiwilliger Helfer zur Verfügung gestellt. Seit seiner Ankunft in Tiksi am 15. April packte er mit an, begleitete die Wissenschaftler bei den unterschiedlichen Arbeiten auf dem Eis und erlebte dabei die Faszination, aber auch die Tücken der Polarforschung. Die Stille und die unendliche Weite auf dem Eis seien für ihn unvergesslich, berichtet der Minister nach seiner Rückkehr. „Außerdem hat mich beeindruckt, den Klimawandel und seine Folgen hautnah zu erleben“, sagt Döring, „ich fürchte, er ist weiter, als wir wahrhaben wollen.“

(Leibniz-Institut für Meereswissenschaften, 05.05.2009 – NPO)

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