Eine der großen Fragen der Klimaforschung lautet: Waren das nördliche und südliche Klima nach dem Ende der letzten Eiszeit miteinander gekoppelt? Eine internationale Forschergruppe mit Berner Beteiligung liefert nun eine Antwort. Ihre jetzt in „Science“ veröffentlichte Untersuchung von Gletschern in Neuseeland lässt vermuten, dass es kein einheitliches, globales Klima gab – sondern dass regionale Faktoren das Klima im Norden und Süden stark beeinflussten.
Daten zu natürlichen Klimaschwankungen seit der letzten Eiszeit, also der letzten 10.000 Jahre, sind unerlässlich, um den Einfluss des Menschen auf die globale Klimaerwärmung zu untersuchen. Insbesondere die Entstehung vergangener Klimawechsel auf der Nord- und Südhalbkugel ist zentral für die Forschung, um künftige Entwicklungen vorauszusagen. Gletscher und ihre Wachstumsschwankungen sind hierfür ein ausgezeichnetes Untersuchungsobjekt: Mit den Seen, Moränen und anderen Zeugen ihrer Bewegungen bieten sie ein reichhaltiges und leicht zugängliches Klimaarchiv, das Rückschlüsse auf das damalige Klima erlaubt.
Gletscherentwicklung im Norden und Süden unabhängig
Eine internationale Forschergruppe mit Beteiligung von Professor Christian Schlüchter vom Institut für Geologie der Universität Bern hat nun anhand von alpinen Gletschern in Neuseeland untersucht, wie sich deren Wachstum in den letzten 7.000 Jahren entwickelte. Die dabei gewonnenen Daten verglichen die Forschenden mit dem Gletscherwachstum auf der nördlichen Halbkugel.
Das Ergebnis: Die Gletscher im Norden und Süden wuchsen und schwanden völlig unabhängig voneinander – es gab also keinen Hinweis auf ein gekoppeltes globales Klima, wie bisher vermutet wurde. Damit verlieren globale Einflüsse wie etwa die Sonneneinstrahlung für die Erklärung von Klimaschwankungen an Bedeutung. Hingegen spielen wohl regionale Faktoren wie Schwankungen der Meeresatmosphäre eine wichtige Rolle.
Findlinge köpfen und Isotopen messen
Die maximale Ausdehnung eines Gletschers lässt sich anhand der Moränen rekonstruieren. Diese Erd- und Gesteinsmassen, die im Gletscherbett vom Eis mitgeschoben werden, gelangen bei einem Gletscherschwund an die Erdoberfläche und bleiben hier zurück. Besonders markant sind grosse Gesteinsbrocken, die sogenannten Findlinge. Sobald diese nicht mehr von einer Eisschicht bedeckt sind und kosmischer Strahlung ausgesetzt werden, entstehen in ihrem Inneren bestimmte Isotope. Anhand dieser Isotope kann das Alter des Gletschers bestimmt werden. So lassen sich sein Wachstum und sein Schwund im Detail dokumentieren.
Genaue Karten der Gletscherentwicklung
„Um diese Daten zu gewinnen, haben wir 74 Findlinge geköpft und Gesteinsproben entnommen“, erklärt Schlüchter. In zehn Jahren ist dadurch eine Karte entstanden, welche die formbildenden Prozesse von drei Gletschern in den neuseeländischen Alpen aufzeigen. „Wir liefern dadurch Daten in nie gekannter Auflösung – im Gegensatz zu anderen Methoden wie der Radiokarbonmethode, die auf seltene Holzfunde angewiesen ist, haben wir unzählige Findlinge zur Verfügung“, so der Forscher.
Von dieser Methode versprechen sich die Forschenden große Fortschritte bei der Bestimmung des Alters von Gletschern: „So können wir anhand von Gletscherbewegungen an ‚Schlüssel-Orten’ im Norden und Süden genaue Zeitreihen erstellen, welche dazu beitragen, das Rätsel um die Klimaschwankungen der letzten 10’000 Jahre und ihrer Ursachen zu lösen.“
(Universität Bern, 08.05.2009 – NPO)