Astronomie

Dunkle Energie: als das Universum „ausfror“

Neues Erklärungsmodell für die Beschleunigung der kosmischen Ausdehnung setzt auf Quintessenz-Feld

Die zukünftige Entwicklung des Universums hängt auch von der Dunklen Energie ab: Je nach seinen Eigenschaften könnte es auseinander fliegen („Big rip“) oder in sich zusammenfallen („Big crunch“). © NASA

2,2 Milliarden Jahre nach dem Urknall war das Universum so abgekühlt, dass eine seiner Komponenten quasi „ausfror“: das Feld, das der Gravitation entgegen wirkt und die Ausdehnung des Kosmos antreibt. Das jedenfalls postuliert ein neues, jetzt in der Fachzeitschrift „Physical Review B“ veröffentlichtes kosmologisches Modell. Es erklärt die Existenz der rätselhaften Dunklen Energie und der beschleunigten kosmischen Ausdehnung durch ein so genanntes Quintessenz-Feld, das die kosmologische Konstante Einsteins ablöst.

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Das Universum dehnt sich aus – das erkannte schon Albert Einstein. Er führte deshalb in seine Theorie der Allgemeinen Relativität eine kosmologische Konstante ein, die erklären sollte, warum das Universum nicht unter Einfluss der Schwerkraft kollabiert. In den 1990er Jahren entdeckten Astrophysiker bei der Beobachtung von Supernovae, dass diese Ausdehnung des Kosmos nicht abnimmt, wie erwartet, sondern sich sogar beschleunigt. Aber warum? Bisher war nur eine Kraft bekannt, die auf große Entfernungen zwischen astronomischen Objekten wirkt, die Gravitation. Doch sie bewirkt Anziehung nicht Abstoßung, wie es die Beobachtungen zeigten.

Dunkle Energie als Schlüssel

Fieberhaft suchen Kosmologen und Astrophysiker seither nach möglichen Erklärungen und setzen dabei meist an der kosmologischen Konstante Einsteins mit ihren Antigravitations-Eigenschaften an. Eine ist die der Dunklen Energie als einer Feldform, die der Schwerkraft entgegen wirkt. Mehr als 70 Prozent aller Materie und Energie besteht aus dieser unsichtbaren und nicht messbaren negativen Kraft. Durch Beobachtungen belegen ließen sich diese Modelle jedoch nicht, daher gehen die Physiker davon aus, dass diese postulierten Felder nicht oder kaum mit normaler Materie und Energie interagieren.

„Eine der sehr unbefriedigenden Eigenschaften der vielen existierenden Erklärungen für Dunkle Energie ist, dass sie sehr schwer zu testen sind“, erklärt Robert Scherrer, Professor für Physik an der Vanderbilt University. Gemeinsam mit seinen Kollegen Stephen Tsu und David Reeb von der Universität von Oregon hat er nun ein neues Modell vorgestellt. Die wesentlichen Unterschiede zu den bisherigen: Ihr so genanntes Quintessenzfeld kann sehr wohl mit normaler Materie interagieren und so beobachtbare Konsequenzen haben.

Einförmiges Feld mit abstoßender Wirkung

Die neue Theorie vergleicht die Quintessenz mit anderen Grundkräften und Feldern wie Gravitation und Elektromagnetismus, verleiht ihm aber auch einzigartige, von diesen verschiedene Eigenschaften. Ihrem Modell nach ist der Weltraum selbst die Quelle der abstoßenden Kraft, die das Universum auseinander treibt. Diese Idee ist nicht neu, denn nach der Quantentheorie ist der leere Raum mit Paaren von virtuellen Partikeln gefüllt, die spontan entstehen und wieder verschwinden – zu schnell um nachgewiesen zu werden.

Nach Ansicht der Forscher ist diese subatomische Aktivität die logische Quelle für die Dunkle Energie, da beide gleichförmig im All verteilt sind. Seine Dichte verringert sich auch mit der Ausdehnung des Universums nicht, im Gegensatz zu normaler Materie und Energie, die allmählich immer weiter ausdünnt. Das Quintessenzfeld wirkt dabei wie eine Art Antigravitationskraft: Es drückt Objekte jeweils voneinander weg, anstatt sie wie die Gravitation, gegenseitig anziehend zu machen.

„Ausfrieren“ der Dunklen Energie verlangsamte Ausdehnung

Einer der Unterschiede der neuen Theorie zu den bisherigen ist eine konkrete, testbare Vorhersage in Bezug auf die Ausdehnung des Universums. Da das Quintessenzfeld mit normaler Materie interagiert, postulieren die Forscher eine signifikante Zustandsänderung, als sich das Universum 2,2 Milliarden Jahre nach dem Urknall deutlich abkühlte. Das Feld machte dabei einen Phasenübergang durch – es fror aus – und seine Energiedichte sank abrupt von dem bisherigen sehr hohen auf das relativ niedrigere Niveau, das es bis heute hat.

Die überschüssige Energie soll in Form von dunkler Strahlung, einer nicht nachweisbaren Strahlungsform, abgestrahlt worden sein. Dieser Phasenübergang jedoch müsste, so postulieren Scherrer und Tsu, messbare Spuren hinterlassen haben. Denn da nach Einstein die Gravitation aus Energie und dem Moment besteht, müsste die Veränderung des Quintessenzfelds und damit der Dunklen Energie, die Ausdehnung des Universums in dieser Phase auf charakteristische Weise verlangsamt haben

Innerhalb der nächsten zehn Jahre könnte dieser „Knick“ in der Ausdehnungskurve bestätigt oder widerlegt werden. Denn bereits jetzt haben große astronomische Kartierungen begonnen, anhand von weit entfernten Supernovae die Ausdehnung des Kosmos im Laufe seiner Entwicklung zu verfolgen.

Zudem könnten die energiereichen Kollisionen in großen Teilchenbeschleunigern wie dem LHC am CERN bei Genf, das Dunkle Energie-Feld anregen und diese Anregungen müssten als exotische, nie zuvor beobachtete subatomare Teilchen erscheinen. Insofern könnten die nächsten Jahre kritisch sein für die Entwicklung der Kosmologie und unserer Vorstellung des Universums.

(Vanderbilt University, 11.05.2009 – NPO)

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