Neanderthaler gelten oft als die dümmeren Vettern des modernen Menschen. Doch jetzt haben niederländische Forscher herausgefunden, dass die Eiszeitmenschen selbst große Beutetiere wie Nashörner oder Bären erlegten und daher alles andere als dumm gewesen sein müssen. Denn die dafür benötigten komplexen Jagdstrategien erforderten Wissen und Intelligenz.
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Die Neanderthaler waren keine reinen Sammler oder Aasfresser, die Jagd war ein fester Bestandteil ihrer Kultur. Aber mit welchen Methoden erlegten sie ihre Beute? Waren sie wirklich nur dumpfe Muskelmänner oder nutzten sie vielleicht doch auch komplexere Strategien? Der niederländische Forscher Gerrit Dusseldorp analysierte an zwei archäologischen Fundorten die Überreste der Frühmenschen und ihrer Beute und schloss darauf auf ihre Methode.
Erfolgreich auch bei großer oder scheuer Beute
Klar ist: Die Neanderthaler waren nicht leicht einzuschüchtern, auch nicht von ihren oft großen und nicht ungefährlichen Beutetieren. Nashörner, Bisons und selbst Raubtiere wie der Braunbär standen auf ihrer Menükarte. Und ähnlich wie bei Jägervölkern des modernen Menschen bestimmte die Umwelt und die Verfügbarkeit der Nahrung die Beutewahl und die eingesetzte Jagdmethode. Wenn es die Bedingungen ermöglichten, lebten die Neanderthaler in großen Gruppen zusammen und konnten daher im Jagdverband auch besonders attraktive und schwer zu fangende Beute erwischen.
Die Ausgrabungen an den zwei unterschiedlichen Orte zeigten, dass Neanderthaler in warmen, bewaldeten Gebieten eher Einzeltiere jagten, in kälteren, weniger dicht bewaldeten Gebieten aber gehörten die sehr viel schwerer zu jagenden Herdentiere zu ihren bevorzugten Zielen. Besonders letztere erforderten in jedem Falle komplexe, Intelligenz und Erfahrung voraussetzende Jagdstrategien.
Attraktivere Beute durch Kommunikation und Koordination
Jeder Beutetyp hat ein spezifisches Verhältnis von Kosten und Gewinn. So liefern viele Beutetiere, die schwer zu fangen sind, dafür mehr Kalorien und noch dazu ein dickes, als Kleidung verwertbares Fell. Daher lohnt es sich, trotz des größeren Aufwands, diese „attraktive“ Beute zu erlegen. Dusseldorp nutzte in seiner Studie solche Kosten-Nutzen-Rechnungen, um die Präferenzen von Neanderthalern auf Basis der Ausgrabungen und des Wissens um die damals vorhandenen potenziellen Beutetiere zu ermitteln.
Es zeigte sich: In den Steppengebieten der Nacheiszeit taten sich die Neanderthaler zu größeren Gruppen zusammen, um vor allem aufwändige aber attraktive Beute zu jagen. Durch intensive Kommunikation und Koordination konnten sie so selbst sehr große oder scheue Tiere erlegen.
Der Wissenschaftler verglich seine für die Frühmenschen ermittelten Werte mit denen der Hyäne, dem stärksten Nahrungskonkurrenten des Neanderthalers und einem erfolgreichen tierischen Jäger. Dabei zeigte sich, dass die Menschen dank ihrer Intelligenz deutlich häufiger größere Beutetiere als die Hyänen erfolgreich jagen konnten. Sei Fazit: Unsere vorzeitlichen Vettern waren sehr geschickte und hochintelligente Jäger – und keineswegs dumpfe Muskelmänner.
(NWO (Netherlands Organization for Scientific Research), 15.05.2009 – NPO)