Geowissen

Artensterben schon vor „Schneeball Erde”?

Mikrofossilienfunde deuten auf biologische Umwälzungen bereits 16 Millionen Jahre früher

Blick auf die Chuar-Gruppe im GRand Canyon © UC Santa Barbara

Neue Fossilfunde am Boden des Grand Canyon widersprechen der Theorie einer tödlichen „Schneeball-Erde“. Eine solche völlig vereiste Phase unseres Planeten vor rund 700 Millionen Jahren soll die Ursache für ein großes Artensterben unter den frühen Lebewesen gewesen sein. die neuen Fossilien aber belegen, dass das Artensterben vor der Vergletscherung auftrat, wie amerikanische Forscher in der Fachzeitschrift „Nature Geoscience“ berichten.

„Schneeball Erde” ist die landläufige Bezeichnung für ausgedehnte Vergletscherungen der Erde, die sich vor 726 bis 635 Millionen Jahren ereigneten. Da sich etwa um die gleiche Zeit ein großer Abfall in der Fossilienhäufigkeit zeigt, gingen Wissenschaftler bisher davon aus, dass die Vereisung die Ursache für dieses frühe Artensterben gewesen sein musste. Jetzt aber haben Wissenschaftlerinnen um die Doktorandin Robin Nagy und Susannah Porter, Professorin für Geowissenschaften an der Universität von Kalifornien in Santa Barbara diese Theorie widerlegt.

Die Forscherinnen untersuchten Proben aus der so genannten Chuar-Gruppe am Grund des Grand Canyon, die aus dem Neoproterozoikum, der Ära kurz vor der großen Vereisung stammen. Hier ist die Lebenswelt in den Wänden des Canyons wie ein einem Archiv der Erdgeschichte erhalten geblieben.

Monokultur löst Artenvielfalt ab

In den Proben der tiefer gelegenen Schichten fanden sich verschiedene Ansammlungen von mikroskopisch kleinen Fossilien mit Schalen aus organischem Material, die so genannte Acritarchen. Sie dominieren bis zu einer Zeit rund 16 Millionen Jahre vor Beginn der Vereisung. Dann jedoch wandelte sich das Bild deutlich. Die Acritarchen verschwinden und an ihrer Stelle bleiben nur Reste von bakteriellen Algenblüten. Nach Ansicht der Forscherinnen ist dies ein Anzeichen dafür, dass das Oberflächenwasser nun stark mit Nährstoffen angereichert war. Dieser Prozess der Eutrophierung ist auch heute noch in vielen Gewässern zu beobachten.

„Dabei monopolisiert eine oder maximal einige wenige Arten die Nährstoffe auf Kosten der anderen“, erklärt Porter das Aussterben der Acritarchen. „Zusätzlich erzeugen die Algenblüten eine starke Produktion organischen Materials, die deutlich an dem hohen Kohlenstoffgehalt in dem Gestein der oberen Chuar-Gruppe zu erkennen ist. Der Kohlenstoffgehalt ist sogar so hoch, dass Ölkonzerne an der Chuar-Gruppe als mögliche Quelle für Öl und Erdgas interessiert waren.“

Sauerstoffmangel lässt Todeszonen entstehen

Doch die Konsequenzen der Überfülle an organischem Material hatte für die damalige Lebenswelt fatale Folgen: Ihr Abbau machte den Sauerstoff im Wasser knapp, ausgedehnte Todeszonen entstanden. Porter und ihre Kolleginnen fanden in den Fossilien Belege für extreme Sauerstoffarmut. Ihrer Ansicht nach deutet alles darauf hin, dass sich hier ein Artensterben schon deutlich vor dem Beginn der „Schneeball Erde“-Phase ereignete. Ob daher die Vergletscherung auch anderswo tatsächlich die Schuld an den dramatischen Einschnitten im Artenreichtum trägt, müsse genauer untersucht werden.

(University of California – Santa Barbara, 28.05.2009 – NPO)

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