Astronomie/Kosmologie

Kein Einschlag – jedenfalls noch nicht

2029 kommt Apophis uns so nahe wie keiner vor ihm

Anfang Januar 2005: Noch immer spricht alles dafür, dass Asteroid 2004 MN4 auf Erdkurs ist. Doch noch geben die Astronomen nicht auf. Schlüssel zu einer genaueren Bahnberechnung ist jetzt die Zeit: Denn je länger das Intervall zwischen zwei Sichtungen ist, desto besser lässt sich die Flugbahn extrapolieren. Bisher gibt es aber nur die Meldung vom Juni 2004 und die aktuellen Dezemberbeobachtungen. Fieberhaft suchen die Forscher verschiedener Observatorien deshalb in ihren Archiven nach Aufnahmen, die den Asteroiden – von allen unbemerkt – vielleicht schon früher eingefangen hatten.

Entwarnung: die Erde wandert aus den Ellipsen der Trefferwahrscheinlichkeit heraus. Noch immer aber ist die prognostizierte Flugbahn des Asteroiden eher ein Schlauch als eine Linie. © Podbregar

Entwarnung für 2029

Und tatsächlich werden sie fündig – genau dort, woher auch die erste Meldung stammte: Jeff Larsen und Anne Descour entdecken den verräterischen Lichtpunkt von 2004 MN4 in Aufnahmen des Kitt Peak Telekops vom 15. März 2004 und verlängern damit die Spur der registrierten Positionen um drei Monate. Wieder wird fieberhaft gerechnet und modelliert. Dann ist es klar: 2004 MN4 wird die Erde verfehlen.

„Einen Einschlag auf der Erde am 13. April 2029 können wir ausschließen“, verkünden NASA-Astronomen Don Yeomans, Steve Chesley und Paul Chodas am 9. Januar 2005 der erleichterten Weltöffentlichkeit. Dafür allerdings wird der Asteroid 2029 so nah an der Erde vorbeifliegen, wie kaum ein Objekt vor ihm.

Knappster Vorbeiflug seit Menschengedenken

Das enthüllen im Januar 2005 Radarmessungen des Radioteleskops von Arecibo in Puerto Rico. Astronomen um Lance Brenner und Jon Giorgini vom Jet Propulsion Laboratorium der NASA schicken dafür Radarsignale in Richtung des Asteroiden und fangen die von ihm reflektierten Signale mithilfe der „Riesenschüssel“ von Arecibo wieder auf. Aus der Zeit bis zum Wiedereintreffen der Wellen und Änderungen der Frequenz erhalten die Forscher wertvolle Hinweise auf Fluggeschwindigkeit und Eigenschaften des Objekts.

Das Radioteleskop von Arecibo nimmt Radarmessungen vor. Sie tragen dazu bei, das Impaktrisiko auf nahe Null zu senken. © NAIC - Arecibo Observatory / NSF

Das Ergebnis: Am Freitag, den 13. April 2029 wird 2004 MN4 unseren Planeten nur knapp 30.000 Kilometer über der Erdoberfläche passieren. Damit rast er noch innerhalb der Bahn der geostationären Satelliten über den Himmel. „Der Asteroid wird wie ein Stern von 3 Magnituden Helligkeit erscheinen, sichtbar mit bloßem Auge in den meisten Regionen Europas, Afrikas und Asiens“, erklärt Giorgini. „So nahe Annäherungen durch Objekte so groß wie 2004 MN4 ereignen sich im Durchschnitt nur alle Tausend Jahre.“

Apophis – Gott der Zerstörung

Obwohl jetzt erstmal Entwarnung gegeben wird, legen die Astronomen den Asteroid nicht zu den Akten. Er steht weiter unter strengster Beobachtung. Inzwischen hat er auch einen echten Namen erhalten – eine Ehre, die nur wenigen Asteroiden zuteil wird. Statt 2004 MN4 heißt er nun Apophis. „Apophis ist der griechische Name für den ägyptischen Gott Apep, den Gott der Zerstörung und des Bösen“, erklärt Dave Tholen, einer der Mitentdecker des Asteroiden. „Allerdings wurden Apeps destruktive Pläne meist durchkreuzt. Auch Apophis wird uns nicht kriegen, nicht dieses Mal jedenfalls.“

Umnlaufbahnen von Apophis vor und nach 2029: Durch die ablenkende Schwerkraft der Erde wird er vom Asteroiden des Aten-Typs zum Apollo-Typ. © NASA/JPL

Er kommt wieder

Tholens Einschränkung kommt nicht von ungefähr. Denn die Entwarnung hat einen Haken: Die nahe Passage im Jahr 2029 wird die Flugbahn des Asteroiden verändern – möglicherweise auf fatale Weise. Die Schwerkraft der Erde lenkt den Boliden um 28 Grad von seinem bisherigen Weg ab. Mit diesem gewaltigen Kurswechsel wird der bisher zum „Aten“-Typ gehörende Asteroid zum „Apollo“-Typ und ändert damit sein gesamtes Verhalten. Bis 2029 liegt sein Orbit komplett innerhalb der Erdbahn. Einen Großteil seines Weges legt er dabei von uns aus gesehen hinter der Sonne zurück – und ist in dieser Zeit für irdische Astronomen unsichtbar und nicht zu beobachten.

Doch nach der Begegnung mit der Erde wird seine Umlaufbahn exzentrischer. Sie reicht jetzt von innerhalb der Venusbahn bis über den Orbit des Mars hinaus nach außen. Mehrfache Kreuzungen der Erdbahn sind bei diesem Kurs vorprogrammiert.

Und genau das ist das eigentliche Problem: Denn 2004 MN4 kommt zurück. Wieder an einem Freitag den 13., und wieder im April. 2036, so errechnen die Astronomen, ist das nächste Rendezvous fällig…

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Nadja Podbregar
Stand: 29.01.2010

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Apophis: Asteroid auf Erdkurs
Einschlag oder knapp daneben? 2029 entscheidet

„Highscore“
Größte Annäherungen von Asteroiden bisher und in Zukunft

Rasender Lichtpunkt
Der Asteroid wird entdeckt

Kurs Erde
Gibt es 2029 eine fatale Kollision?

Kein Einschlag – jedenfalls noch nicht
2029 kommt Apophis uns so nahe wie keiner vor ihm

Das fatale Schlüsselloch
Warum wenige Meter entscheiden

Schüler blamiert NASA – oder doch nicht?
Die Geschichte mit der Satelliten-Kollision

Russland und die Angst vor dem „Killerasteroid“
Wie dringend ist eine Abwehrmission?

Ein „Wachhund“ für Apophis
Eine Satellitenmission könnte Gewissheit schaffen

Was wäre wenn?
Wie lässt sich ein Einschlag abwenden?

Die „Armageddon“-Methode
Die Abwehrmöglichkeiten nach 2029

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