Die Entdeckung dieses vollständig erhaltenen Klimaarchivs führte zu einem neuen Tschad-Projekt im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 389 „Kultur- und Landschaftswandel im ariden Afrika“ (ACACIA). Nach umfangreichen Vorbereitungen mit der Partnerbehörde in der tschadischen Hauptstadt N’Djaména und einer drei Monate beanspruchenden Überführung der Fahrzeuge und des Bohrgeräts von Deutschland in die Sahara begannen Kröpelin und seine Kollegen im Dezember 2003 die ersten Studien vor Ort. Mit einer speziellen Metallzylinder- Bohrvorrichtung konnten sie dabei bis zu 4,5 Meter lange Bohrkerne aus dem Seeboden bergen, die die letzten 2.600 Jahre detailliert dokumentieren.
6.000 Jahre in die Vergangenheit
Die sich anschließende Geländekampagne im Herbst 2004 ermöglichte mit einer 35 Meter langen Bohrvorrichtung ein noch tieferes Eindringen in die zunehmend verfestigten Sedimente. Bei einer Wassertiefe von 26 Metern war die Grenze der Leichtbohrtechnik erreicht. Die Forscher zogen bis zu neun Meter lange Bohrkerne, bis eine stärker verfestigte Schicht ein weiteres Vordringen verhinderte. Auch dieser lange Sedimentkern wies eine durchgehende Feinschichtung auf, die nach Radiokarbondatierungen und Auszählungen die letzten 6.000 Jahre in jahreszeitlicher Auflösung erfasst.
Diese Datenbasis stellt das bisher vollständigste und genaueste Klimaarchiv der Sahara für das mittlere und späte Holozän dar. Die noch laufende Auswertung der Daten, an spezialisierten Laboratorien im In- und Ausland durchgeführt, umfassen sedimentologische und geochemische Untersuchungen. Dazu gehören auch hochauflösende Bildanalysen, Alters- und Isotopenbestimmungen sowie detaillierte Auswertungen des Gehalts an pflanzlichen und tierischen Mikrofossilien.
Staubstürme, Vulkanausbrüche und Siedlungsspuren
Die rund 12.000 hauchdünnen „Lagen“ erlauben nicht nur lückenlose Aussagen über den Klimaverlauf und die Entwicklung der Ökosysteme des Wassers und der Erde in der Sahara. Sie liefern auch jahresgenaue Informationen über Naturereignisse wie schwere Staubstürme, Savannenbrände und Vulkanausbrüche oder über das erste Auftreten bestimmter Nutzpflanzen, zum Beispiel der Dattelpalme. Die Angaben umfassen damit das Mittel- und Spätholozän bis zu den modernen Nukleartests und kriegerischen Konflikten der Zeitgeschichte in bisher unerreichter Genauigkeit.
Die Ergebnisse beleuchten auch die klimatischen und ökologischen Grundlagen für die prähistorische Siedlungsgeschichte in der Region. Vor allem aber bieten sie eine Antwort auf die Frage, ob und wie aus Bohrkernen des Meeres und des Eises abgeleitete Klimaereignisse und Klimaschwankungen Gültigkeit für den kontinentalen afrikanischen Wüstengürtel besitzen. Darüber hinaus können sie helfen, computergestützte Klimamodelle zu überprüfen und damit globale Klimaprognosen zu verbessern.
Dr. Stefan Kröpelin, Universität Köln / DFG Forschung
Stand: 18.09.2009