30. März 2009, San Diego, Kalifornien. Ein zehnjähriger Junge bekommt plötzlich Fieber, Husten und muss sich Erbrechen. Seine Eltern sind besorgt, bringen ihn am nächsten Tag in eine Notfallaufnahme, um ihn untersuchen zu lassen. Die Ärzte behandeln die Symptome des offenbar an Grippe leidenden Kindes – soweit alles normal. Zufällig jedoch läuft zu dieser Zeit eine Studie zur Erprobung eines neuen diagnostischen Tests, dafür entnehmen die Mediziner dem Jungen eine Schleimprobe aus der Nase. Die Probe wird an ein Referenzlabor geschickt und dort auf seinen Virentyp hin analysiert. Der Junge übersteht die Krankheit währenddessen und ist nach einer Woche wieder gesund.
Keine normale Grippe
Seltsamerweise identifizieren die Analysen im Labor zwar eindeutig einen Virus des Typs Influenza A, also den gängigen Grippevirus, aber etwas anderes stimmt nicht: Die Tests auf die Subtypen ergeben negative Ergebnisse sowohl für menschlichen H1- als auch für den menschlichen H3-Subtyp. Damit kann die Erkrankung des Jungen keiner der beiden zurzeit kursierenden menschlichen Grippestämme zugeordnet werden.
Alarmiert senden die Mediziner – inzwischen ist es bereits der 15. April – ihre Proben und Ergebnisse an die Centers for Disease Control (CDC) in Atlanta, der zentralen Seuchenschutzinstitution der USA. Hier wird schnell klar: Dieses Virus ist neu, beim Menschen ist es bisher nicht aufgetreten. Die Forscher geben sofort eine genetische Analyse in Auftrag und alarmieren ihre Zweigstellen im ganzen Land, nach ähnlichen Grippefällen Ausschau zu halten.
Der zweite Fall
Zwei Tage später trifft erneut eine Probe beim CDC ein. Diesmal stammt sie von einem neun Jahre alten Mädchen aus dem Imperial County, ebenfalls in Kalifornien. Auch sie leidet seit dem 28. März an Fieber und Husten, auch bei ihr schlagen die gängigen Grippemittel an – und auch ihre Klinik nimmt zufälligerweise an einer klinischen Studie teil, diesmal einer Influenza-Überwachungsstudie. Wieder weisen die Klinikärzte zwar ein Influenza-A Virus nach, können aber den Subtyp zunächst nicht bestimmen. Erst im Naval Research Center in San Diego ergeben die Analysen Abweichungen von den gängigen H1- und H3-Varianten.
Ursprung Schwein, Überträger Mensch
In der Zwischenzeit ist bei der CDC die Genanalyse des ersten Falls abgeschlossen. Das Ergebnis: Es handelt sich um eine Abwandlung eines Influenza A Virus des Subtyps H1N1, das normalerweise nur bei Schweinen vorkommt. Doch Befragungen ergeben, dass der Junge keinerlei Kontakt mit Schweinen hatte. Als auch die Probe des Mädchens die gleiche Genkombination aufweist, obwohl beide Patienten nachweislich keinen Kontakt miteinander hatten oder anderweitig in Verbindung gebracht werden können, beginnt das internationale Seuchenprotokoll zu greifen.
Inzwischen sind in den USA acht Menschen erkrankt. Das CDC alarmiert noch am gleichen Tag die Weltgesundheitsorganisation WHO in Genf, dass ein neuer Typ der Influenza, ein „Swine-Origin Influenza Virus“ (S-OIV) aufgetreten ist. Die Krankheitsverläufe sind bisher meist mild – glücklicherweise. Sie sind eher vergleichbar mit der saisonalen Influenza als mit der Vogelgrippe, bei der bis zu 80 Prozent der Infizierten sterben.
Nadja Podbregar
Stand: 29.05.2009