Wer einmal am Kraterrand des Crveno Jezero gestanden hat, wird den Anblick, der sich dort bietet, vermutlich nie vergessen: Nahezu senkrecht fallen die Steilwände 200 Meter tief hinab zur Oberfläche des Roten Sees. An schönen Tagen glitzert das Wasser strahlend blau in der Sonne. Doch kein Weg, nicht einmal ein Trampelpfad, führt dort hinunter.
Ein farbenprächtiges Panaroma für jeden Besucher, ein Albtraum jedoch, wenn man vorhat, ein Forscherteam in den Krater hinunter zu schicken, um eine Inventur im und am Dolinensee vorzunehmen. Und genau das haben sich der kroatische Geologe und Höhlenforscher Professor Mladen Garasic von der Universität Zagreb und seine Partner Thomas Behrend und Jens Hilbert im Jahr 1998 zum Ziel gesetzt. Schon seit Monaten wird das Forschungsprojekt akribisch vorbereitet. Mit dabei sind Kletterexperten, Spezialisten für Tauchtechnik und Dekompression, Mediziner und natürlich Geologen, Zoologen und Botaniker.
Logistik ist alles
Eine manövrierbare sechs mal acht Meter große Ponton-Plattform als Ausgangspunkt für die Tauchgänge muss auf dem See installiert werden. Eine eigens dafür konstruierte Seilbahn soll den Transport von Bauteilen, Ausrüstung und Verpflegung in den Krater sicherstellen. Geplant ist zudem, einen Klettersteig in den Fels zu bauen, über den die mehr als 30 Expeditionsmitglieder einigermaßen sicher vom Kraterrand zum See gelangen. Dies stellt enorme Anforderungen an die Technik und die Logistik. Schließlich muss jedes Schräubchen und jede Pressluftflache von weit her an den Crveno Jezero geschafft werden – und pünktlich und heil dort unten am See ankommen.
Doch schließlich sind alle Probleme gelöst, alle Trainingslager für Taucher und Techniker absolviert und alle notwendigen Vorbereitungen getroffen. Im letzten Moment droht die Expedition dann aber noch an einer fehlenden Erlaubnis der kroatischen Naturschutzbehörde zu scheitern. Nachdem endlich auch diese vorliegt, kann am 26. September 1998 mit der eigentlichen Forschungs- und Untersuchungsarbeit vor Ort begonnen werden.
Bei ersten Probetauchgängen im Crveno Jezero hatten die Forscher bereits im Februar 1998 mithilfe von Tiefenlotungen eine Seetiefe von 270 Metern ermittelt. Im Wasser wimmelte es damals zudem von Fischen und anderen Tieren. Diese Ergebnisse sollten nun überprüft und wenn möglich erheblich erweitert werden. Vor allem aber ging es darum, einen klaren Beweis für einen unterirdischen Zufluss des Sees zu finden.
Fische, Schnecken und noch viel mehr
Biologen sammeln und kartieren deshalb in der Folge penibel die Pflanzen rund um den Roten See, sie stöbern aber auch an Land viele verschiedene Spinnen und Insekten auf und bestimmen und ordnen anschließend sorgsam die entdeckten Arten. Finden Sie die gleichen Arten im See und in der näheren und weiteren Umgebung, könnte dies ein Hinweis darauf sein, dass es einen Zufluss gibt. Schon bei den ersten Tauchgängen stoßen die Wissenschaftler auf riesige Fischschwärme. Sowohl Steinbeißer als auch Dalmatische Elritzen (Phoxinellus adspersus), die nur dort leben, gehen den Forschern ins Netz. Verschiedene farbenfrohe Schwammarten, Wassermoose oder Wasserschnecken runden die biologische Vielfalt des Roten Sees ab.
Doch die Arbeit vor Ort ist nicht ganz ungefährlich. Denn immer wieder lösen sich kleinere oder größere Steinlawinen an den Kraterwänden, die zu tödlichen Geschossen für die Wissenschaftler werden können. Helme, äußerste Vorsicht, sowie dann und wann ein kontrollierender Blick nach oben sind deshalb Pflicht.
Stand: 08.02.2008