Schon bald nach ihrer Rückkehr hat Hypatia damit begonnen, Schüler um sich zu scharen und ihr Wissen weiterzugeben. Bald erhält sie, einzigartig für eine Frau, sogar den Lehrstuhl für platonische Philosophie am Museion. Ihr Charisma und ihre Vortragskunst ziehen nun Schüler von weither und aus allen Glaubensrichtungen an, mehr als ungewöhnlich in dieser Zeit.
„Strahlendes Gestirn…“
So ungewöhnlich, dass der zur gleichen Zeit in Konstantinopel lebende Theologe und Historiker Sokrates Scholastikos ihr in seiner Kirchengeschichte gleich mehrere Absätze widmet. „Es gab in Alexandria eine Frau mit Namen Hypatia, Tochter des Philosophen Theon, die in Literatur und Wissenschaft so erfolgreich war, dass sie alle Philosophen ihrer Zeit übertraf. Viele Hörer kamen von weither, um von ihr unterrichtet zu werden.“ Poetischer veranlagte Zeitgenossen vergleichen sie mit Minerva, der römischen Göttin der Weisheit und beschreiben sie als „strahlendes Gestirn geistreicher Wissenschaft“.
Einflussreiche Stimme auch in der Politik
Einer der besten Schüler Hypatias ist Synesios aus Kyrene, ein Christ und vermutlich enger Freund des Stadtpatriarchen Theophilus. Trotz seines Glaubens studiert er bei der „Heidin“ neoplatonische Philosophie, Mathematik und Astronomie und bewundert ihr Wissen. Er bleibt bis zu seinem frühen Tod im Jahr 413 in engem Briefkontakt mit ihr, selbst als er 410 Bischof von Kyrene wird. Seine Briefe gehören zu den wenigen direkten Zeugnissen von Hypatia, die bis heute erhalten sind.
In ihnen berichtet er, dass Hypatia auch abseits ihrer Lehrtätigkeit nicht gerade der klassischen Rolle der stillen und demütigen Frau entspricht: „Im Philosophentalar zog sie durch die Innenstadt und sprach für alle, die zuhören wollten, öffentlich über die Lehren des Platon oder Aristoteles“, so Synesios. Und der Kirchenhistoriker Sokrates Scholastikus schreibt: „Dank ihres souveränen Auftretens und ihrer eleganten Erscheinung erscheint sie häufig in der Öffentlichkeit in Gegenwart hoher Staatsbeamter. Sie scheut sich auch nicht, in öffentliche Versammlungen von Männern zu gehen. Alle Männer bewunderten sie dafür auf Grund ihrer außerordentlichen Würde und Tugend umso mehr.“
Doch diese Freiheit sollte nicht lange währen…
Nadja Podbregar
Stand: 11.03.2010