Um den Ausblick, den die Forscher auf der Gottfried-Merzbacher-Station künftig haben werden, sind sie wahrlich zu beneiden. Die Forschungsstation steht direkt neben dem Inyltschek-Gletscher, mit insgesamt fast 90 Kilometern Länge einer der längsten Gletscher in Zentralasien überhaupt. Der Eisriese liegt direkt an der Grenze von Kasachstan, Kirgistan und China.
Nachbar Inyltschek
Genau gegenüber der Merzbacher-Station befindet sich die Talmündung, an der sich die Täler des nördlichen und des südlichen Inyltschek vereinigen. Einst hatte dieser zwei Nährgebiete, und die zwei Hauptströme vereinigten sich zu einem Gletscher. Doch seit etwa 30 Jahren schmelzen auch im Tien-Shan die Gletscher, so dass heute nur noch der südliche Inyltschek auf ganzer Länge das Tal ausfüllt. Der nördliche Inyltschek ist längst vom Haupteisstrom abgerissen und endet mehrere Kilometer oberhalb der Mündung.
Doch warum richten deutsche Wissenschaftler ausgerechnet hier im Tien-Shan in Zentralasien ein Klima-Observatorium ein? GFZ-Wissenschaftler Ulrich Wetzel, der den Bau des Global Change Observatory seit langem vorantreibt und koordiniert: „Hier haben wir eine der globalen Wetterküchen. Und wenn Sie für das Gesamtsystem Erde eine Aussage finden wollen, dann können Sie das nur, indem sie einzelne Regionen herausgreifen und versuchen, die genauer zu analysieren.“
Scheidepunkt zwischen Arktis und Monsun
Hier am Gebirgsknoten von Tien-Shan und Pamir, den nordwestlichsten Ausläufern des Himalaya-Massivs, kommen Einflüsse der nördlichen borealen Klimaregion und der Monsunregion zusammen. „Und beides trifft sich genau hier, nämlich auf dem Tien-Shan-Kamm.“
Mit der Merzbacher-Station werden die Wissenschaftler künftig nicht nur Klimadaten sammeln, sondern auch seismologische, hydrologische und glaziologische Messungen durchführen. Das Global Change Observatory wird damit zur Basis, um ein umfangreiches geowissenschaftliches Verständnis für Zentralasien zu gewinnen, das zu den jüngsten regionalen Schwerpunkten des GFZ gehört.
Weitere Projekte in Zentralasien
So ist das Klima-Observatorium auch nur eines von zahlreichen Projekten, die die Potsdamer in Zentralasien betreiben. Wichtigster Partner vor Ort ist dabei das ZAIAG in Bischkek, der kirgisischen Hauptstadt. Gemeinsam haben die deutschen und kirgisischen Wissenschaftler auch das Projekt CaWA (Central Asian Water) initiiert, mit dem der Wasserhaushalt Zentralasiens untersucht und modelliert werden soll. Außerdem wird derzeit am Aufbau des seismologischen Netzwerkes CAREMON (Central Asian Real-Time Earthquake Monitoring Network) gearbeitet.
Satelliten im Dienste der Seismologie
Die Merzbacher-Station am Inyltschek soll natürlich auch für diese beiden Projekte Daten bereitstellen. Eingesetzt werden dabei die neuesten Methoden.So wurde während der diesjährigen Expedition eine permanente GPS-Station eingerichtet. Damit können auch geringste seismische Verschiebungen und Bewegungen gemessen werden – in einem tektonisch äußerst aktiven Gebiet wie Zentralasien, ausgesprochen wichtig.
Um die aufgezeichneten Daten möglichst rasch und zeitlich flexibel abrufen zu können, ist die GPS-Station mit Satelliten-Empfänger und -Sender ausgestattet. VSAT (Very Small Aperture Terminal) heißt das System, das es ermöglicht, von einem Computer in Potsdam oder Bischkek per Satellit direkt auf die Station am Inyltschek zuzugreifen.
Insgesamt 20 solcher Stationen betreiben das GFZ und das ZAIAG mittlerweile in Kirgistan. Das ist, verglichen beispielsweise mit Japan, wo es über tausend derartige Messstationen gibt, verschwindend wenig. Doch, so gibt Ulrich Wetzel zu bedenken, seien die abgelegenen Bergregionen Kirgistans weitaus weniger erschlossen als das flächendeckend mit Satellitenempfang ausgestattete Japan.
Stand: 30.10.2009