Genau 15 Jahre ist es her, dass der Gedanke von der „Großen Seidenstraße“ wiederbelebt wurde. Mit der Öffnung des Ostblocks boten sich neue Möglichkeiten wirtschaftlicher Verflechtung zwischen Ost und West, transkontinentale Transporte von West-Europa bis ins östliche Asien wurden ganz einfach notwendig.
Bis heute wird noch ein Großteil der Transporte per Schiff durch den Suez-Kanal, den indischen Ozean und die Straße von Malakka erledigt. Dass der Landweg bisher kaum genutzt wird, liegt an den natürlichen Hindernissen wie Bergen und Wüsten, die bereits die Händler zu Zeiten der „echten“ Seidenstraße überwinden mussten, vor allem aber an der mangelnden Infrastruktur in den meisten Ländern, die zu durchqueren sind.
1993 rief die Europäische Union deshalb das Projekt TRACECA – Transport Corridor Europe-Caucasus-Asia – ins Leben. Darin sind mehrere Einzelprojekte vereinigt, die bestehende Transportwege zwischen Europa und Asien verbinden und die Infrastruktur ausbauen sollen. Mehr als 100 Millionen Euro flossen bereits in Forschungs- und Investitionsobjekte. Allein bis zum Jahr 2025 werden Verkehrszuwaechse auf der neuen Ost-West-Handelsroute von 650 Prozent erwartet.
Beteiligt an TRACECA sind alle EU-Mitgliedstaaten, die Kaukasus-Länder Aserbaidschan, Georgien und Armenien, die Ukraine, Moldawien, Bulgarien, Rumänien und die Türkei, sowie die zentralasiatischen Länder Kasachstan, Kirgistan, Usbekistan, Turkmenistan und Tadschikistan.
Ziel: ein neuer „eurasischer Korridor“
Erstes Ziel des ambitionierten Projekts war, eine durchgehende Eisenbahnverbindung von Amsterdam bis nach Lianyungyang am Gelben Meer zu schaffen, über das Schwarze Meer, den Kaukasus, das Kaspische Meer und Zentralasien. Hintergrund ist die Strategie der EU, die GUS-Länder stärker in die Weltwirtschaft einzubinden und auch deren Kooperation untereinander zu fördern. Durch ein funktionierendes Eisenbahnnetz – das es bisher in längst nicht allen TRACECA-Staaten gibt – sollen neue Warenströme erzeugt werden, die wiederum Investitionen nach sich ziehen.
Die EU betreibt das Programm nicht ganz uneigennützig. In Zentralasien lagern riesige, zum Teil bisher kaum erschlossene Vorkommen an Erdöl und –gas. Der Ausbau und die Rekonstruktion von Öl- und Gas-Pipelines, gefördert durch die EU, gehört deshalb auch in den Rahmen von TRACECA. Die EU will sich so neue Quellen für fossile Brennstoffe sichern, um nicht allein von Russland abhängig zu sein.
Vorbehalte und Rückschläge
Russland steht diesen Bemühungen ausgesprochen misstrauisch gegenüber. Denn der von der EU angestrebte eurasische Korridor verläuft außerhalb des russischen Territoriums. Egal ob es um Öl und Gas, um den Transport von Industrie- und Handelsgütern oder den Aufbau regionaler Handelszonen geht – dass sich die anderen GUS-Staaten wirtschaftlich von Russland emanzipieren, sieht die wachsende Supermacht im Osten verständlicherweise mit Vorbehalten.
Noch jedoch steckt TRACECA in den Kinderschuhen. Eine durchgehende Bahnverbindung Holland – China gibt es bisher nicht. Viele Teilstrecken wurden noch nicht modernisiert, der Ausbau verzögert sich. Im Zuge der Unabhängigkeitsbewegung der GUS-Staaten wurde das Zoll-Regime zwischen den Ländern in den letzten Jahren eher verschärft. Auch die rechtlichen Schranken für einen transkontinentalen Transport müssen deshalb in den nächsten Jahren erst abgebaut werden. Ein Datum zur Inbetriebnahme der „neuen Seidenstraße“ ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt unbekannt.
Stand: 04.04.2008