Ein banger Blick gen Himmel: Gibt´s heute noch Gewitter? Leider müssen Meteorologen und Wetterdienste bei der Beantwortung dieser Frage oft passen, denn wann und wo lokale Gewitter entstehen und niedergehen, ist schwer vorhersehbar: Gewitter fallen in den sogenannten „Nowcasting“-Bereich. Auf einer Zeitskala von wenigen Minuten bis hin zu einigen Stunden kann sich relativ kurzfristig eine heftige Gewitterfront zusammenbrauen und Mensch und Natur mehr oder weniger aus „heiterem Himmel“ überraschen. Dabei ist Gewitter nicht gleich Gewitter. Grundsätzlich lassen sich zwei Typen unterscheiden: Luftmassengewitter und Frontgewitter. Grundsätzlich sind die Entstehungsmechanismen der beiden Gewittertypen gleich. Unabdingbare Voraussetzung ist jeweils eine hinreichende Labilität der Atmosphäre. Entscheidend für den Gewittertypus ist der jeweilige Auslösevorgang.
Wenn Hitze zum Gewitter wird
Besonders im Sommer, wenn sich die bodennahen Luftschichten durch intensive Sonneneinstrahlung aufheizen und feuchtwarme Luft aufsteigt, kommt es zu Luftmassengewittern, die oft auch als Hitze- oder Wärmegewitter bezeichnet werden. Ein Vorbote dieses Gewittertyps ist die bekannte Gewitterschwüle. Trifft die aufsteigende Luftmasse auf die kältere Luft der Troposphäre kondensieren winzige Wassertröpfchen zu immer größer werdenden Wolken.
Bei der Bildung der Gewitterwolken wird Kondensationswärme freigesetzt. Diese „latente Wärme“ verstärkt die Aufwärtsbewegung der Luftmassen zusätzlich. Aufwinde mit vertikaler Windgeschwindigkeit von mehr als 250 Kilometern in der Stunde sind dabei keine Seltenheit. Gewaltige Gewitterwolken können sich so zusehends bis in eine Höhe von über 10.000 Metern auftürmen. Glücklicherweise verschwinden Wärmegewitter nach der Entladung genauso schnell wieder wie sie gekommen sind und das schöne Sommerwetter setzt sich wieder durch.
Luftmassengewitter kommen erstaunlicherweise relativ selten vor. Laut Angaben des Deutschen Wetterdienstes entwickeln sich nur etwa zehn Prozent aller in Deutschland vorkommenden Gewitter im „frontfreien Raum“. Davon sind wiederum nur 16 Prozent vom Typ „sommerliches Wärmegewitter“.
An der Wetterfront
Viel häufiger sind dagegen Frontgewitter, denn sie entstehen das ganze Jahr über. Sie werden durch eine großräumige Luftverschiebung verursacht und leiten damit einen Wetterwechsel ein. Wie der Name schon sagt, entstehen Frontgewitter, wenn zwei unterschiedliche Luftmassen an einer Front zusammentreffen. Trifft also warme Luft auf eine Kaltfront, so schiebt sich die kalte Luftmasse unter die stabilere, warme Luftmasse und erzwingt somit eine Hebung des „Luftpakets“.
Auch Hindernisse, wie Berge und Gebirgsketten, können eine Hebung der Luftmasse erzwingen. Drückt der Wind feuchtwarme Luft gegen einen Hang und ist ein Umströmen des steinernen Hindernisses nicht schnell genug möglich, weicht die warme Luft ebenfalls nach oben aus. Zusätzlich fällt die kalte Höhenluft in die aufsteigende, warme Luft hinein und hebt diese weiter an. Ein derartiger Wetterumschwung wird von heftigen Gewittern, Hagelschauern und Orkanböen begleitet und überrascht selbst die erfahrendsten Bergsteiger.
Einzelzellen, Multizellen und Superzellen
Neben der Einteilung in die beiden Gewittertypen werden Gewitterereignisse anhand der Entstehungsprozesse und der Schwere der Auswirkungen in weitere Kategorien unterteilt. Je nach Windstärke und Stabilität bzw. Labilität der Luftmasse entwickeln sich Einzelzellen-, Multizellen- oder Superzellen-Gewitter. Die „normalen“ Luftmassengewitter im Sommer sind eine Mischung aus „harmlosen“ Einzelzellen- und Multizellen-Gewitter mit einer Lebenszeit von rund einer Stunde.
Gefährlich wird es jedoch, wenn unter bestimmten dynamischen Voraussetzungen langlebige Gewitterkomplexe entstehen, die zu einem schweren Gewitter heranwachsen können. Ein Beispiel ist das Berliner Unwetter vom Juli 2002. Dort richtete ein schweres Gewitter mit orkanartigen Böen, sintflutartigen Regenschauern und golfballgroßen Hagelkörner in wenigen Minuten Sachschäden in Millionenhöhe an. Der Auslöser war eine aus Westen herannahende Kaltfront mit einer vorangehenden Böenwalze die Berlin am Spätnachmittag erreichte. Bis zu dem Zeitpunkt hatte sich die Gewitterzelle über der Hauptstadt bereits stark aufgeheizt. Die Kaltluft fiel nun wie ein Wasserfall durch die warme Luftmasse. Windböen von rund 152 Kilometer in der Stunde fegten dabei über den Wannsee und hinterließen eine Spur der Verwüstung.
Stand: 26.08.2003