Es gibt eine Vielzahl von Theorien, die versuchen die Armut in der Dritten Welt zu erklären. In den 50er und 60er Jahren war die Modernisierungstheorie verbreitet. Sie sieht die Ursachen in den Entwicklungsländern selbst, insbesondere in den traditionsverhafteten Wirtschafts- und Gesellschaftsformen. Die Vertreter der Theorie setzen die Entwicklungsländer dabei auf eine Stufe, die auch die Industrieländer einmal durchlaufen haben und der Ausweg läge demnach in einer nachholenden Entwicklung durch schnellen Aufbau der Industrie. Kritiker verwiesen schon früh auf das falsche Bild von Tradition und die Fixierung auf das Wirtschaftssystem der Industrieländer als Leitbild. Ende der 60er Jahre scheiterte die Theorie schließlich an den ersten Bilanzberichten zur Lage in den Entwicklungsländer. Die Armut in der Dritten Welt nahm weiter zu.
Zeitgleich meldeten sich in Lateinamerika mit der Dependenztheorie erstmals Vertreter aus den Entwicklungsländern selbst zu Wort. Ihre Theorie erklärt die Ursachen mit einer von außen fehlgeleiteten Entwicklung. Die Unterentwicklung, so die Anhänger dieses Ansatzes, wäre daher eine Folge der gewachsenen Abhängigkeit durch Kolonialismus und Übernahme der kapitalistischen Wirtschaftsweise. Die Dependenztheorie wurde schnell vor allem von Vertretern der Entwicklungsländer aber auch den Ländern des Ostblock übernommen Eine Lösung für alle Probleme der Entwicklungsländer stellte aber auch diese Theorie nicht dar.
Bis in die 80er Jahre hinein hat die Frage nach den Ursachen immer wieder zu heftigen Diskussionen auf politischer Ebene geführt. Inzwischen ist die Situation entspannter, was sicher auch auf das Ende des Ost-West-Konflikts zurückzuführen ist. Doch es bleibt die Frage, warum es trotz konstanter nationaler Entwicklungspolitik und internationaler Entwicklungszusammenarbeit in vielen Ländern bis heute nicht gelungen ist, den Teufelskreis der Armut zu durchbrechen. Die Ursachen sind letztlich vielfältig und die Hemmnisse liegen sowohl in den Entwicklungsländern als auch in ihrer internationalen Stellung.
So bremst innerhalb der Dritten Welt vor allem das hohe Bevölkerungswachstum positive Wirkungen. Die absolute Wirtschaftsleistung von Entwicklungsländern ist in den vergangenen Jahrzehnten durchaus gestiegen. Doch das Geld muss sich auf immer mehr Einwohner verteilen, so dass die Armut eher zunimmt. Zudem fließen viele Gelder der Staatshaushalte und aus Entwicklungskrediten in falsche Richtungen. Korruption ist weit verbreitet und auch kriegerische Konflikte und die damit verbundene Aufrüstung verschlingen Unsummen.
In den nächsten Jahren wird vor allem die AIDS-Problematik die Bekämpfung der Armut behindern. In der Dritten Welt lebt der größte Teil der HIV-Infizierten. Allein 20 Millionen Afrikaner sind HIV positiv. Die UNO schätzt, dass bei einer weiteren Verbreitung in fünf Jahren täglich 13.000 Menschen in Afrika an den Folgen der Krankheit sterben werden. Für die betroffenen Staaten könnte dies einen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Zusammenbruch bedeuten.
Die äußeren Ursachen gehen bis in die Kolonialzeit zurück. Fast alle Länder der Dritten Welt, Ausnahmen sind zum Beispiel Äthiopien und Liberia, waren Kolonien. Sie wurden durch die Kolonialmächte für eine lange Zeit ihrer politischen, ökonomischen und kulturellen Unabhängigkeit beraubt. Die Folgen und Abhängigkeiten wirken bis heute nach. Dennoch bleibt umstritten, ob es sich hier um eine Hauptursache handelt. Kritiker verweisen auf die unterschiedliche Entwicklung beispielsweise der britischen Kolonien wie Australien, Singapur, Indien und Uganda.
Nicht zuletzt müssen wohl auch natürliche Ursachen für die Armut hinzugezogen werden. Viele Länder der Dritten Welt liegen in den Tropen und Subtropen. In den Trockenzonen werden Dürren zum Problem und im anderen Extrem der immerfeuchten Tropen sind die Böden ohne das Ökosystem Regenwald unfruchtbar.
Stand: 06.11.2001