Die Ebola-Epidemie 2014 in Westafrika, bei der über 11.000 Menschen starben, hat enthüllt, wie ungleich die Gesundheitsausgaben zwischen Arm und Reich verteilt sind. Es brauchte erst ein großes Medienspektakel und die drohende Ansteckung von Europäern und US-Amerikanern, damit Forschungsgelder flossen und ein Impfstoff entwickelt wurde. Bis heute haben sich die Ausgaben zwar vervielfacht, die Ungleichheiten aber sind geblieben.
So fließt laut WHO nur ein Prozent aller Fördergelder in die Erforschung von Tuberkulose und Malaria, obwohl sie 12,5 Prozent der globalen Krankheitslast ausmachen. Die WHO und andere Gesundheitsorganisationen versuchen schon seit Langem diese Lücke zu füllen. Die Fördergelder richten sich jedoch nicht nach ihrem Willen, sondern nach dem Markt. Die Folge: Profitable Forschung bleibt bevorzugt.
Patente: Wirklich ein Problem?
Wir leben in einer offenen Marktwirtschaft. Darin entscheidet der Preis eines Medikaments, wer es bekommt. Patente spielen dabei eine wichtige Rolle, denn sie bestimmen, ob viel günstigere Generika mit der gleichen Wirkung hergestellt werden dürfen. Pharmafirmen halten dagegen: Ohne Patente würden Profite verschwinden und die Forschung zum Erliegen kommen.
Zunächst vorweg: Es gibt keine weltweiten Patente. Das Patent eines Medikaments kann in Deutschland noch Bestand haben, in den USA bereits abgelaufen, in Indien abgelehnt und in Simbabwe nie beantragt worden sein. Doch wie genau sieht die Situation in den Entwicklungsländern aus?
Einer Studie von 2017 zufolge sind nur 20 der 375 laut WHO essenziellen Medikamente durch Patente geschützt, der Rest steht zur Nachahmung frei. In China und Mexiko, bevölkerungsreichen Ländern mit relativ hohem Einkommen, sind fast alle dieser Patente aktiv. Große Märkte versprechen den Konzernen hier hohe Profite. Ganz anders in armen Ländern mit kleinen Märkten: Dort sind nur sehr wenige Medikamente patentiert (Madagaskar: 0, Somalia: 3). Das bringt diesen Ländern jedoch wenig, wenn sie nicht die nötige Industrie besitzen, um diese Medikamente in guter Qualität zu produzieren.
Über welche Mittel reden wir hier genau? Über die Hälfte der 20 patentierten essenziellen Medikamente richtet sich gegen HIV. Damit sind genau sie für Ärmere oft unerschwinglich – außer sie werden verbilligt abgegeben oder das Patent wird ausgesetzt. Neue Medikamente gegen das Virus sind aber besonders wichtig, denn HIV entwickelt schnell Resistenzen und Patienten brauchen dringend den Zugang zu neuesten Therapien.
Die Organisation Unitaid versucht mit dem „Patent-Pool“ genau diese Lücke zu füllen. In den Pool gestiftete, patentierte Präparate – vor allem gegen HIV – erhalten in den bedürftigen Ländern Sublizenzen und können so günstig nachproduziert werden. Der Pharmakonzern GlaxoSmithKline lenkte 2016 noch weiter ein und kündigte an, in den 50 ärmsten Ländern der Welt keine neuen Patente zu beantragen. Welche Auswirkungen dies auf die tatsächliche Verfügbarkeit haben wird, bleibt aber noch abzuwarten.
Hohe Abgaben, marodes System
Aber nicht alle Probleme kommen von außen, einige Missstände sind hausgemacht. Hohe Zölle, Steuern und Vertriebskosten in den Ländern können die Preise in der Dorfapotheke weiter aufblasen. So gehören Nigeria, Pakistan und Indien zu jenen Ländern, welche die höchsten Einfuhrzölle verlangen. Alle staatlichen Abgaben zusammen treiben den Preis von frei käuflichen Medikamenten dort um ein Drittel und mehr in die Höhe.
In vielen Entwicklungsländern ähnelt das Gesundheitssystem zudem einem löchrigen Netz. Die Folge: Patienten müssen ihre Behandlung aus eigener Tasche zahlen. Viele rutschen dadurch in die Armut ab, andere können sich die Medikamente gar nicht erst leisten. Die gesundheitliche Infrastruktur in den Ländern ist marode: Aus Geldmangel fehlt es nicht nur an Medikamenten, sondern auch an Krankenhäusern, Geräten und trainiertem Personal – das oft in reiche Länder abwandert. Korruption verschlimmert die Situation. Ohne das Engagement der Politik passiert hier nicht viel.
Licht am Ende des Tunnels
Das Blatt scheint sich jedoch langsam zum Guten zu wenden. Die Opferzahlen der „drei großen Killer“ nehmen stetig ab, die Fördergelder für vernachlässigte Infektionskrankheiten stiegen zuletzt wieder leicht an. Anfang 2018 waren 436 Produkte gegen Infektionskrankheiten in der Vorbereitung, die Hälfte davon sind Impfstoffe, vor allem gegen HIV, Malaria und Tollwut.
Für besonderes Aufsehen sorgte 2012 die London-Deklaration: Initiiert von der WHO, schlossen sich Gesundheitsorganisationen, Regierungen und die größten Pharmaunternehmen zum Kampf gegen zehn vernachlässigte Tropenkrankheiten zusammen. Seitdem stellen Merck und Co. jedes Jahr mehrere hundert Millionen Tabletten kostenlos zur Verfügung – ein geringer Aufwand für die milliardenschweren Großkonzerne. Alleine 2016 erhielten dadurch aber über eine Milliarde Menschen eine Behandlung und 23 Länder konnten seit 2012 eine Tropenkrankheit ausrotten.
Yannick Brenz
Stand: 06.04.2018