Zu den Ursachen der Polarlichter gibt es eine einfache Erklärung – und ziemlich viele komplizierte. Die physikalischen Feinheiten dieser Leuchterscheinungen sind bis heute nur in Teilen aufgeklärt. „Das vollständige Bild fehlt uns noch immer“, erklärt der NASA-Polarlichtforscher David Stern.
Ein Schutzkäfig mit Lücken
Die einfache Erklärung kennen die meisten von uns noch aus der Schule: Die Leuchterscheinungen hängen mit dem Magnetfeld der Erde und dem Sonnenwind zusammen. Treffen die geladenen Teilchen des Sonnenwinds auf das Erdmagnetfeld, dann werden sie normalerweise abgelenkt. Die parallel verlaufenden Magnetlinien schützen die Erde wie eine Art Faraday’scher Käfig.
Doch in der Nähe der Pole ist dieser Schutzkäfig durchlässig. Wie bei einem Stabmagneten neigen sich hier die Magnetfeldlinien auf den magnetischen Pol zu. In seiner Nähe stehen sie daher fast senkrecht auf der Erdoberfläche. Weil sich die geladenen Teilchen des Sonnenwinds entlang dieser Magnetfeldlinien bewegen, können sie in den Polargebieten näher an die Erde herankommen als anderswo.
Birkelands Experiment
Was passiert, wenn geladene Teilchen bis in die Atmosphäre vordringen, beobachtete der norwegische Physiker Kristian Birkeland bereits Ende des 19. Jahrhunderts. In seinem Terella-Experiment befestigte er eine magnetische Metallkugel – die Terella – in einer Vakuumkammer. Dann lenkte er die Elektronen einer Kathodenstrahlröhre auf dieses verkleinerte Modell des Erdmagnetfelds.
Zu Birkelands Überraschung bildeten sich rund um die Pole der Terella leuchtende Ringe – Polarlichter im Miniformat. Sie entstehen, weil die Elektronen entlang der Magnetfeldlinien bis in Polnähe der Terella geleitet werden. Dort kollidieren sie mit Gasatomen, die in der Vakuumkammer geblieben sind, und regen diese zum Leuchten an.
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Atmosphärische Kollisionen
Ähnliches, so vermutete Birkeland, geschieht auch in der Erdatmosphäre: Die Teilchen des Sonnenwinds dringen entlang der Magnetfeldlinien bis in die oberen Schichten der polaren Atmosphäre vor und kollidieren dort mit den Sauerstoff- und Stickstoffmolekülen der Luft.
Die dabei freiwerdende Energie wird als Licht unterschiedlicher Wellenlänge abgestrahlt – von Sauerstoffatomen als grünes und rotes, von Stickstoff als blaues und violettes Licht. Das Ergebnis ist eine Aurora. Typischerweise entsteht das grünliche Polarlicht in knapp 100 Kilometern Höhe, das rötliche dagegen rund 200 Kilometer über der Erdoberfläche.
Wenn bei einem Sonnensturm besonders viele geladene Teilchen auf das Magnetfeld einströmen und der schützende Magnetkäfig stärker verformt wird, sind die Polarlichter besonders ausgeprägt. Die Elektronen können dann selbst in Gebieten außerhalb des klassischen Polarlichtovals bis in die Atmosphäre vordringen und die Leuchterscheinungen auslösen – beim sogenannten Carrington-Ereignis im September 1859 gab es Auroras sogar über Hawaii, Jamaika und den Bahamas.
Soweit die einfache Erklärung…
Nadja Podbregar