Die vielen Lebensspuren unserer Vorfahren am Südrand der Schwäbischen Alb belegen, dass dieses Gebiet schon sehr früh besiedelt wurde. Denn die Funde stammen aus der Zeit kurz nach Ankunft des Homo sapiens in Mitteleuropa vor gut 45.000 Jahren. Möglicherweise lag hier, an den Nebenflüssen der Donau, sogar eines der Kerngebiete der prähistorischen Neuankömmlinge.
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Einwanderer aus dem Süden
Das Erstaunliche daran: Vor knapp 40.000 Jahren war das Klima in Mitteleuropa besonders rau. Die letzte Eiszeit erlebte damals eine sehr kalte Phase, das sogenannte Heinrich-4-Event. Dabei stießen die Gletscher aus dem Norden besonders weit nach Süden vor und brachten entsprechend lebensfeindliche Bedingungen mit sich.
Deswegen gingen Forscher lange davon aus, dass unsere Vorfahren erst nach dieser Kaltphase bis nach Mitteleuropa vordrangen. Doch die Funde aus den Höhlen der Schwäbischen Alb widerlegen dies klar. Die Kunstfertigkeit der Figuren und Instrumente, aber auch das Design der vielen Steinwerkzeuge ordnen sie eindeutig der Kulturstufe des Aurignacien zu – und damit dem Homo sapiens.
Refugium in der Kaltphase?
Nach heutiger Sicht kamen die ersten Vertreter des Homo sapiens wahrscheinlich sogar schon in der Zeit unmittelbar vor der Kaltphase in die Region des heutigen Süddeutschland. Entlang der Donau wanderten sie über den Balkan kommend nach Norden und Westen bis ins heutige Süddeutschland. Als dann das Klima kälter wurde, stockte ihre Ausbreitung vorübergehend.
Doch in den geschützten Tälern am Südrand der Schwäbischen Alb und den dortigen Höhlen konnten unsere Vorfahren die Kaltzeit gut überstehen. Das mildere Klima und die fruchtbare Natur entlang der Donaunebenflüsse bot ihnen ein Refugium mit ausreichend Nahrung und wettergeschützten Unterkünften. Dies könnte erklären, warum in diesem Gebiet einige der ältesten Funde der Aurignacien-Kultur gemacht wurden.
Ort der Innovationen
Die Schwäbische Alb – oder vielmehr ihr Südrand – war damit wahrscheinlich einer der Orte, an denen unsere Vorfahren wichtige kulturelle Neuerungen entwickelten – sozusagen ein Ort des Kultursprungs. Ob diese Innovationen unter dem Druck des ungünstigen Klimas entstanden oder ob die Überwinterung in den geschützten Höhlen die nötige Mußezeit für die Erschaffung der Kunstwerke bot, ist bislang ungeklärt.
Nicht bekannt ist auch, ob unsere Vorfahren damals noch ihren Vettern, den Neandertalern, begegneten. Denn wenn sie wirklich schon deutlich vor der Kaltphase vor knapp 40.000 Jahren in die Täler südlich der Alb zogen, könnte es dort durchaus noch letzte Neandertaler gegeben haben. Bisher allerdings ist es den Archäologen trotz intensiver Bemühungen nicht gelungen, Hinweise auf mögliche Begegnungen zwischen beiden Menschenformen zu finden.
Nadja Podbregar
Stand: 21.07.2017