Sonnenfinsternisse sind nicht nur ein beeindruckendes Erlebnis, der solare Ausnahmezustand liefert auch wertvolle wissenschaftliche Erkenntnisse. Denn währen der Verdunklung der Sonne lassen sich viele Phänomene beobachten, die sonst nicht auftreten oder aber vom Sonnenlicht überstrahlt werden.
Einsteins Sonnenfinsternis
Das wahrscheinlich berühmteste Beispiel für eine wissenschaftlich bedeutsame Sonnenfinsternis ereignete sich am 29. Mai 1919. Kurz zuvor, im November 1915, hatte Albert Einstein seine bahnbrechende Allgemeine Relativitätstheorie vorgestellt. In ihr postulierte er, dass große Massen das Licht krümmen – und dass dieser Effekt am Himmel zu beobachten sein müsste. Steht ein Stern fast direkt hinter der Sonne, müsste sein Licht bei der Passage an der Sonne leicht abgelenkt werden – und die Position des Sterns daher verschoben erscheinen.
Die Sonnenfinsternis im Jahr 1919 bot die erste Chance, dies zu überprüfen. Denn während der Totalität ist die Sonne stark genug verdunkelt, um nicht das Licht der nahebei stehenden Sterne zu überstrahlen. Der britische Astronom Arthur Eddington reist daher in den Golf von Guinea, um dort während der Totalität Aufnahmen des Sternenumfelds der Sonne zu machen. Tatsächlich gelingt es ihm, die von Einstein postulierte Ablenkung des Sternenlichts nachzuweisen.
Strahlenkranz und neue Elemente
Ohne Sonnenfinsternisse hätten jedoch auch viele Erkenntnisse über die Sonne selbst noch viel länger auf sich warten lassen. So beobachtete Johannes Kepler bereits 1605 während einer totalen Sonnenfinsternis „rote Flammen“ am Rand der Sonne. Er hielt sie damals für Licht, das von Objekten im Umfeld der Sonne reflektiert wird. Edmund Halley beschreibt 1715 erstmals den bei vielen Eklipsen sichtbaren Strahlenkranz der Sonne als „leuchtenden Ring von blasser Weiße“. Erst 1724 postuliert der Astronom Jose de Ferrer, dass dieser Flammenkranz Teil der Sonne selbst ist und tauft sie Korona.
1868 entdeckt der Astronom Pierre-Jules Janssen während einer totalen Sonnenfinsternis eine zuvor unbekannte Spektrallinie im Sonnenlicht – und damit den „Fingerabdruck“ eines neuen Elements. Er tauft es „Helium“ nach dem griechischen Sonnengott Helios. 1869 beobachten Forscher eine weitere neue Spektrallinie und halten sie zunächst für das Signal eines „Coronium“ getauften Elements. 1941 jedoch stellt sich heraus, dass diese Linie von ionisiertem Eisen stammt.
Offene Fragen bis heute
Auch heute noch ist eine Sonnenfinsternis für Forscher eine willkommene Gelegenheit, mehr über die solare Korona, aber auch das Wechselspiel von Sonnenlicht und Erdatmosphäre zu erfahren. So verändert sich die Ionosphäre der Erde normalerweise in einem Rhythmus von Tag und Nacht. Während einer Eklipse können Wissenschaftler beobachten, was passiert, wenn abrupt und vorübergehend deutlich weniger Sonnenwind auf diese Hülle trifft.
Astronomen nutzen eine totale Sonnenfinsternis, um eine der noch immer offenen Fragen zur Sonnenphysik zu klären: Warum ist die Korona mit Millionen Grad Temperatur so viel heißer als die „nur“ 6.000 Grad heiße Sonnenoberfläche? Als Kandidaten für die Korona-Heizung gelten bisher sowohl Plasmajets, sogenannte Spikulae, als auch magnetische Plasmaschwingungen an der Sonnenoberfläche, sogenannte Alfvén-Wellen.
Nadja Podbregar
Stand: 18.08.2017