Im dritten Jahr seiner Grabungen wähnt sich Schliemann am Ziel: In sieben bis zehn Metern Tiefe, so berichtet er in seinem Tagebuch, sei er auf eine rötlich-braune Schicht gestoßen, in der er die „verbrannte Stadt“ gefunden zu haben glaubt. So stößt er auf ein Stadttor, von dem eine breite Straße zu einem Haus führt. Nach Schliemanns Interpretation handelt es sich bei den beiden Bauwerken um das Skäische Tor, an dem Prinz Hektor vor seinem Tod im Kampf mit dem Griechen Achill von seiner Ehefrau Andromache Abschied nahm, sowie den Palast des Troja-Königs Priamos.
In der Nähe dieses vermeintlich royalen Gebäudes gelingt dem Archäologen wenige Monate später im Mai 1873 ein wahrer Sensationsfund: Goldschmuck, Silberbecher, Bronzedolche – Schliemann hat einen Schatz ausgegraben. Voller Begeisterung malt er sich aus: „Vermutlich hat jemand aus der Familie des Priamos den Schatz in aller Eile in die Kiste gepackt, diese fortgetragen, ist aber auf der Mauer von Feindeshand oder vom Feuer erreicht worden und hat die Kiste im Stich lassen müssen, die sogleich mit der roten Asche und den Steinen des Hauses überschüttet wurde.“
Mission erfüllt?
Schliemann weiß die Entdeckung gekonnt zu vermarkten: Seine schöne griechische Ehefrau Sophia – Schliemann hatte sich von seiner russischen Gemahlin scheiden lassen und wieder geheiratet – trägt für die Presse die „Juwelen der Helena“, Schmuck aus dem Fund. Schliemann erzählt, er habe Gold im Staub glänzen sehen, daraufhin die Arbeiter nach Hause geschickt und den Schatz alleine mit seiner Frau ausgegraben. Später muss er jedoch zugeben, dass Sophia in der entscheidenden Situation gar nicht dabei war.
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Für Schliemann ist seine Aufgabe mit der Bergung des „Schatzes von Priamos“ erfüllt – Troja scheint gefunden. Und während vor allem unter deutschen Wissenschaftlern Zweifel an der fachlichen Expertise des inzwischen zu Berühmtheit gelangten Hobbyarchäologen und seiner Interpretation der Funde als Reste des homerischen Trojas lautwerden, folgt dieser weiter unbeirrt den Spuren des griechischen Dichters: In Mykene will Schliemann das Grab des Agamemnon finden.
Ein Grab voller Gold
Hinter den Ruinen des Löwentores beginnt Schliemann 1876 damit, den Akropolis-Hügel umzugraben. Tatsächlich stößt der Abenteurer wenig später auf fünf unberührte Schachtgräber. In einem der Gräber findet er drei ungewöhnlich große Skelette, die auf fabelhafte Reichtümer gebettet sind. Zwei der Leichen tragen große goldene Masken, welche die Züge der männlichen Verstorbenen nachbilden – Schliemann glaubt sich wieder in die Zeit des trojanischen Krieges zurückversetzt.
Das größte der Skelette, verkündet er, muss das Gebein des sagenhaften Königs von Mykene sein. Dessen Totenmaske präsentiert er als „Goldmaske des Agamemnon“ der Öffentlichkeit. Allmählich findet Schliemann auch in seinem Heimatland Anerkennung. Als der „Schatz des Priamos“ in London ausgestellt wird, scheint der Mann mit dem Spaten endlich ernst genommen zu werden. 1881 ernennt ihn die Stadt Berlin zum Ehrenbürger.
Falsch datiert
Doch Schliemann bleibt nicht erspart, kurz vor seinem Tod im Jahr 1890 doch noch zu erkennen, dass er einer Illusion aufgesessen ist. Es zeigt sich: Der Archäologe hat sich in den vielen Grabungsschichten des Hisarlik-Hügels verheddert und seinen Fund falsch datiert. Tatsächlich stammt der „Schatz des Priamos“ aus der frühen Bronzezeit und ist mehr als tausend Jahre älter als die mutmaßliche Regentschaft des von Homer beschriebenen Troja-Königs.
Auch die Goldmaske des Agamemnon kann heutigen Erkenntnissen zufolge nicht dem Herrscher und Heerführer aus der Sage – sollte er je gelebt haben – zugeordnet werden. Demnach stammt das Artefakt aus dem 16. Jahrhundert vor Christus. Die siegreiche Rückkehr der Helden aus Troja nach Mykene spiegelt nach gängiger Lehrmeinung jedoch eine deutlich spätere Zeit wieder. Schliemanns Maske des Agamemnon – sie war wohl die Maske eines Fürsten einer vorhergehenden Dynastie.
Daniela Albat