Geologie/physische Geographie

Abbau möglich, aber unwirtschaftlich

Ein Interview

In einem Interview gibt Herr Dr. Carsten Rühlemann, Mitarbeiter im Referat „Meeresgeologie, Tiefseebergbau“ der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Auskunft über die aktuellen Entwicklungen der Manganknollen-Forschung.

g-o.de:

Herr Dr. Rühlemann, nach einer Boomphase in den 1970er und 1980er Jahren ist es um die Manganknollen in letzter Zeit ruhig geworden. Warum ist das so?

Rühlemann:

Nach den in den Siebzigern veröffentlichten Vorhersagen waren die verfügbaren Metallvorkommen in nächster Zukunft erschöpft. Dadurch wurde das Interesse an den schwer zugänglichen Manganknollen-Vorkommen in der Tiefsee geweckt. Mehrere Industrieländer und auch private Unternehmer hatten besonders in den sechziger und siebziger Jahren die Erzvorkommen in der Tiefsee exploriert und die technischen Möglichkeiten zur Förderung entwickelt. Die Explorationsarbeiten in dieser Phase konzentrierten sich vor allem auf die reichen Manganknollenfelder des nordöstlichen äquatorialen Pazifiks, des Perubeckens (südöstlicher Pazifik) und des Indischen Ozeans und endeten mit einem Fördertest der Ocean Managment Inc., an der auch die PREUSSAG beteiligt war, und bei dem 800 Tonnen Mn-Knollen aus einer Wassertiefe von 5.000 Metern gewonnen wurden. Da sich aber entgegen den Prognosen die Rohstoffversorgung entspannt hatte, wurden die Arbeiten zu Beginn der 80er Jahre praktisch eingestellt. Die negative Marktentwicklung wurde u.a. darauf zurückgeführt, dass neue Vorkommen an Land erschlossen wurden und dass die Dritte Welt nicht wie erwartet als Verbraucher aufgetreten ist. Bei der derzeitigen Nachfrage kann der Bedarf einfacher und preiswerter aus Landlagerstätten gedeckt werden.

g-o.de:

Gibt es aktuelle Forschungsprojekte weltweit, die sich mit Manganknollen und deren Förderung beschäftigen?

Rühlemann:

Forschung auf diesem Sektor betreiben zurzeit vor allem die sieben als Pionierinvestoren bezeichneten Konsortien und nationalen Institute, u.a. aus Frankreich, Russland, Korea, Indien, China und Japan, die sich Abbaufelder im äquatorialen Pazifik und im Indischen Ozean gesichert haben. Institute dieser Länder haben bereits vor dem Inkrafttreten des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen 1982 Forschungsarbeiten hinsichtlich des Vorkommens polymetallischer Knollen durchgeführt und damit das Recht auf einen „Claim“ erworben.

g-o.de:

Wie wir erfahren haben, weilen Wissenschaftler der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) zurzeit bei der Internationalen Meeresbehörde in Jamaica, um so genannte „claims“ für die Tiefsee zu beantragen. Was hat es damit auf sich?

Rühlemann:

Der Leiter des Referats Meeresgeologie und Tiefseebergbau, Dr. Michael Wiedicke-Hombach, nimmt an den laufenden Verhandlungen bei der IMB in Kingston teil, wo derzeit ein deutscher Antrag auf ein Abbaufeld im äquatorialen Pazifik erörtert wird. Mit diesem Antrag wollen wir für die Bundesrepublik ein Feld im Gebiet der reichen Mn-Knollen-Vorkommen des Pazifiks sichern. Die Befürwortung dieses Antrags vorausgesetzt, werden wir in den nächsten Jahren umfangreiche Erkundungen dieses Feldes durchführen.

g-o.de:

Wie sieht es denn mit der Technik zur Ausbeutung der Manganknollenfelder aus? Sind die Methoden schon praxisreif?

Rühlemann:

Es werden verschiedene Methoden zum Abbau von polymetallischen Knollen diskutiert. So können die Knollen beispielsweise mit einer Art Schleppnetz gewonnen werden. Bevorzugt werden aber selbstfahrende und ferngesteuerte Bergbausysteme auf Lafettenfahrzeugen, die mittels eines Kollektors Knollen sammeln und diese durch ein hydraulisch arbeitendes Rohrsystem zum Abbauschiff befördern. Technologien, die eine Bergung der polymetallischen Knollen ermöglichen, wurden bereits in den 70er Jahren entwickelt und zu Beginn der 80er Jahre wurden die ersten Tiefseebergbautests durchgeführt. Die Technologie ist gegenwärtig so weit fortgeschritten, dass eine Gewinnung im industriellen Maßstab in großen Wassertiefen ohne technische Probleme erfolgen könnte.

g-o.de:

Werden zurzeit überhaupt irgendwo auf der Welt in größerem Maßstab Manganknollen „geerntet“? Wenn ja, wo?

Rühlemann:

Aufgrund der niedrigen Weltmarktpreise werden derzeit keine Manganknollen in industriellem Maßstab gefördert.

g-o.de:

In China boomt die Stahlproduktion. Könnte der damit verbundene erhöhte Manganbedarf dazu beitragen, dass die Knollen für Rohstoffkonsortien und Wissenschaftler wieder interessanter werden?

Rühlemann:

Das Interesse an den eigentlich als polymetallische Knollen bezeichneten Erzen konzentriert sich nicht auf das Mangan sondern auf die Metalle Kupfer, Nickel und Kobalt, die zusammen einen Anteil von ca. 3% an den Knollen ausmachen. Der Weltmarktpreis dieser drei Metalle ist 1000 bis 20.000-fach höher als der von Mangan.

g-o.de:

Zum Abschluss noch ein Blick in die Zukunft: Wie lange wird es noch dauern, bis es mit der Förderung der Manganknollen richtig losgeht? Welche Vorleistungen müssen bis dahin von Wissenschaft und Technik noch erbracht werden?

Rühlemann:

Das hängt von der Entwicklung der Marktpreise für Metalle ab, der sich nicht zuverlässig voraussagen lässt. Schätzungen zufolge kann der Bedarf an Kupfer aus aktiven Landbergwerken noch 30 Jahre und für Nickel und Kobalt noch 25-30 Jahre gedeckt werden. Darüber hinaus decken die bereits explorierten Vorkommen dieser drei Metalle in etwa noch mal die gleiche Zeitspanne ab. Für die nächsten Jahrzehnte ist deshalb nicht mit dem Abbau von Manganknollen aus der Tiefsee zu rechnen. Bezüglich der Vorleistungen ist zu bedenken, dass die Belegungsdichte des Meeresbodens mit Manganknollen räumlich sehr stark variiert. Notwendig ist aus unserer Sicht deshalb eine detaillierte Kartierung der Manganknollen-Vorkommen im beantragten deutschen Feld. Die Technik für den Abbau ist prinzipiell ausgereift.

g-o.de:

Herr Dr. Rühlemann, wir bedanken uns für das Gespräch.

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Stand: 19.08.2005

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Geheimnisvolle Manganknollen
Rohstoffjagd in Neptuns Reich

"Sprudelnde Quelle" für Rohstoffe?
Der Hype um die Manganknollen

Viel mehr als nur Mangan...
Ein Steckbrief der Tiefseeknollen

Mangan, Kobalt & Nickel
Die Bedeutung der Knollenrohstoffe

Mit "Kartofeelrodern" in die Tiefsee
Der Abbau der Knollen

Mit OMI auf Manganknollenjagd
Lohnt sich der Tiefseebergbau?

Tiefsee in Gefahr
TUSCH untersucht Auswirkungen der Knollenernte

Gibt es ein Leben nach dem Tiefseebergbau?
DISCOL simuliert Folgen des Manganknollenabbaus

Wolken in der Tiefsee
Lokaler Abbau – globale Folgen?

Neuer Boom oder ewige Flaute?
Der Tiefseebergbau steckt noch in den Kinderschuhen

Ein Grundgesetz für die Ozeane
Manganknollen als „gemeinsames Erbe der Menschheit“

Abbau möglich, aber unwirtschaftlich
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